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Das Mädchen und der Schwarze Tod

Das Mädchen und der Schwarze Tod

Titel: Das Mädchen und der Schwarze Tod
Autoren: Lena Falkenhagen
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Einsilbigkeit mehr steckte, doch sie drang nicht weiter in ihn. Schließlich fragte er vorsichtig: »Was weißt du von der Pestbruderschaft, Kind? Lynow hängt das Thema nicht an die große Glocke.«
    Die Frage war Marike unangenehm, denn sie hatte Lyseke versprochen, nicht darüber zu sprechen. Doch belügen konnte sie ihren Vater nun auch nicht. »Lyseke hat etwas darüber gehört«, gestand sie schließlich. »Sie verehren den heiligen Blasius als Fürsprecher vor Gottes Thron.« Pestbruderschaften fanden sich in Pestzeiten wie normale Bruderschaften zusammen, um eine Art Absicherung für das Jenseits zu schaffen. Totenmessen konnten die Zeit verkürzen, in der die Seelen im Fegefeuer geläutert wurden. Die Lebenden zahlten stets die Votivmessen der Toten, um deren Sündenlast zu schmälern, bis sie selbst dieses Dienstes bedurften. Durch die neu hinzukommenden jüngeren Mitglieder der Bruderschaft würde es immer jemanden geben, der für die Seelen der Verstorbenen beten ließ.
    »Was hat Lyseke Oldesloe damit zu tun?«, fragte der Vater irritiert.
    »Nichts, Herr Vater. Sie hat nur davon gehört.«
    Der Vater erforschte die Züge der Tochter. »Ich vertraue dir bei der Wahl deiner Freundinnen, mein Kind. Aber hier musst auch du mir vertrauen.« Und nun erkannte Marike in seinem sorgenvollen Gesicht, dass er sie vorhin nicht aus Zorn angefahren hatte, sondern aus Furcht. Sein Ausdruck erinnerte sie an damals, als die Nachricht kam, dass ihr letzter und ältester Bruder Johannes in einem Sturm auf See verschollen war. Angst und Sorge hatten darin mitgeschwungen, sogar eine gewisse Panik. Was für Schrecken brauchte es, um ihren Vater so zu entsetzen?
    »Ich kenne den Lynow. Er ist skrupellos und brutal. Und er setzt immer beim schwächsten Glied einer Kette an. Der Mann hat mir gedroht. Er versucht vielleicht gar, über dich an mich heranzukommen. Und daher musst du vorsichtig sein.«
    Langsam nickte Marike. Sie mochte Lynow nicht und erinnerte sich an so manche Situation, in der sie sich von ihm beobachtet gefühlt hatte. »Natürlich, Vater. Ich werde die Augen offen halten.« Der Vater warf ihr einen missbilligenden Blick zu. »Halte dich einfach fern von dem Schmied«, wies er sie erschöpft an. Dann wandte er sich wieder seiner Schreibarbeit zu.
    Marike nickte vage. Sie ging zurück zur Tür und schenkte ihrem Vater noch einen letzten Blick. Der alte Mann saß bereits wieder voller Sorgenfalten über seinem Schreibpult. Dieser Anblick versetzte Marikes Herz einen Stich. Johannes Pertzeval hatte sein Leben lang gearbeitet, um seiner Familie ein gesichertes Leben zu ermöglichen und Leid und Not von den Seinen fern zu halten. Das Leid hatte trotzdem Einzug gehalten, und nun waren nach Gottes Ratschluss nur noch Marike und er übrig. Doch die Tochter wünschte, sie könne von nun an den Spieß umdrehen und ihrem müden kranken Vater für den Rest seines Lebens alles Leid ersparen.
    Johannes Pertzeval schaute noch einmal auf und lächelte Marike entschuldigend an. »Es tut mir leid, mein Stern. Ich wollte dich nicht erschrecken.«
    »Das habt Ihr nicht, Vater.« Sie lächelte zuversichtlich zurück. Dann ging sie hinaus und schloss die Tür der Dornse hinter sich. Sie eilte durch die Diele hinaus. Draußen auf dem Innenhof, von dem es auch zur Kloake und zum Wohnkeller ging, in dem der alte Klausner Willem eingemietet war, atmete sie gierig ein paarmal tief durch, um sich zu beruhigen – denn sie hatte gelogen. Der Vater hatte sie sehr wohl erschreckt. Und sei es nur, weil der Mann, den sie für so mutig hielt, selbst Angst hatte. Warum nur fürchtete er sich so vor dem Schmied Lynow? Marike vertraute darauf, dass der Vater seine Gründe hatte.
    Während sie so grübelte, erscholl erneut das Krächzen der Krähen unheilvoll vom großen Baum herab. Man sagte, die Krähen spürten über Meilen, wenn es irgendwo Tote geben würde. Nur dann versammelten sie sich in großen Schwärmen, um einen festlichen Leichenschmaus zu halten, den sie bei den Augen begannen.
    Grübelnd sagte Marike sich, dass auch das angeblich so unfehlbare Gespür der Vögel bisweilen irren konnte. Immerhin lag Lübeck so ruhig und friedlich da wie immer.

DER ABT
    Guardian Clemens, der Mönch, der dem Katharinenkloster zu Lübeck vorstand, wurde von übler Laune geplagt. Der Franziskaner hatte die Nacht mit entsetzlichen Schmerzen im Unterleib wach gelegen. Das Wasserlassen war seit einigen Tagen die wahre Hölle. Ein wenig üble Laune ist da
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