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Das Mädchen mit den Teufelsaugen

Das Mädchen mit den Teufelsaugen

Titel: Das Mädchen mit den Teufelsaugen
Autoren: Ines Thorn
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das Mädchen zurück auf die Bank, rückte nahe an sie heran, sodass ihre Schultern sich beinahe berührten.
    «Jetzt lass sie doch», warf Ruppert ein.
    Lisbeth fuhr herum, zeigte mit dem Finger auf ihren Mann: «Du sei still. Hast uns ja das hier alles eingebrockt.»
    Sie schob ihren Ärmel hoch, streckte dem Mädchen ihre rechte Hand hin. «Da, lies, was drinnen steht. Aber ganz genau, ich will alles wissen.»
    Das Mädchen schüttelte den Kopf. «Die linke Hand muss es sein. Man liest aus der linken Hand, weil sie vom Herzen kommt.»
    «So man ein Herz hat!» Rupperts Mundwinkel krochen nach oben.
    «Halt den Mund!», zischte sein Weib und stieß ihre linke Hand wie einen Vogelschnabel in die Richtung des Mädchens. «Also? Was steht da?»
    Das Mädchen betrachtete die Hand der Frau. Vorsichtig griff sie danach, zog sie zu sich heran.
    «Ihr habt einen starken Willen», sagte sie. «Hier, das obere Daumenglied ist sehr ausgeprägt.»
    Sie hatte vorhin gesehen, wie die Frau ihre Hand zur Faust geballt hatte. Der Daumen lag dabei über Zeige- und Ringfinger, als wolle er sie an einem Ausbruch hindern. Sie setzt ihren Willen durch, wo immer sie kann, hatte das Mädchen gedacht. Sie ist eine Despotin. Wäre sie ein Mann, so würde sie viel zu oft von ihren Fäusten Gebrauch machen.
    «Und weiter?» Lisbeth wackelte mit der Hand vor dem Gesicht der Zigeunerin herum. «Was ist mit Geld und Ruhm? Wie lange lebe ich?»
    Noch während sie ihre Hand bewegte, stellte das Mädchen fest, dass die Haut einen Stich ins Gelbe aufwies. Trotz, dachte die Zigeunerin. Gelbe Hände stehen für Trotz, Leidenschaft, gieriges Wesen und galliges Temperament. Ich muss vorsichtig sein. Das zweite Glied des Daumens ist ziemlich kurz. So kurz wie ihr Verstand. Ich muss nicht nur vorsichtig, ich muss geradezu auf der Hutsein. Ein falsches Wort von mir, und sie übergibt mich der Inquisition.
    Sie zog die Hand der Schwangeren näher zu sich, fuhr mit dem Zeigefinger eine Linie nach, die sich als Halbkreis vom Handgelenk neben dem Daumenballen nach oben bis zum Zeigefinger zog. «Seht her, das ist Eure Lebenslinie. Sie ist ziemlich lang.»
    «Was heißt das? So lass dir doch nicht jedes Wort aus der Nase ziehen.»
    «Ihr werdet Eure Freunde überleben, aber vor Euren Feinden sterben.»
    Lisbeth sah die Zigeunerin mit zusammengekniffenen Augen an. «Und wer steht dann an meinem Grab?», fragte sie.
    Die Zigeunerin zögerte. «Vielleicht könntet Ihr Eure Feinde zu Euern Freunden machen? Aber bis dahin vergeht noch viel Zeit.»
    «Meine Feinde können mir den Buckel runterrutschen.» Lisbeth fuhr unruhig auf der Bank hin und her. «Was ist mit Geld und Ruhm?»
    Das Mädchen zog die Hand noch dichter vor ihr Gesicht. Die Ruhmlinie, dachte sie. Wo ist bei dieser Frau die Ruhmlinie? Normalerweise befindet sie sich am Zeigefinger, geht direkt vom unteren Fingerglied in den Venusberg, den Daumenballen, aber hier ist nichts, rein gar nichts.
    Das Mädchen wusste, was dies zu bedeuten hatte. Und sie wusste auch, dass die Handleserehre es verbot zu lügen. Sie war ein Mädchen mit Ehre und stahl nur, wennes sich nicht umgehen ließ. Aber sie hatte noch nie gelogen.
    «Der Ruhm, ja», sagte sie und drückte die Hand der Schwangeren ein wenig zusammen, in der Hoffnung, dass auf diese Art doch noch eine Linie sichtbar wurde. Doch da war nichts. «Der Ruhm», sagte sie schließlich und seufzte dabei, «muss hart erarbeitet werden.»
    «Wie? Willst du etwa sagen, dass ich nicht hart arbeite?» Lisbeth zog mit einem Ruck ihre Hand zurück und funkelte das Mädchen zornig an.
    «Nein, ich wollte gar nichts sagen. Ich lese nur, was in der Hand steht. Aber was wäre denn ein Ruhm wert, der nicht selbst erarbeitet ist?»
    Lisbeth sah zu Ruppert. Der nickte. «Sie hat recht, Liebes.»
    Lisbeth schob die Unterlippe schmollend vor, dann stieß sie ihre Hand wieder in Richtung des Mädchens. «Geld. Du hast nichts über Reichtum gesagt. Was ist damit?»
    Das Mädchen zögerte.
    «Was ist? Kannst du auf einmal nicht mehr lesen?»
    Die Zigeunerin sah, wie sich der Kopf der Schwangeren plötzlich rot färbte. Ihre Lippen waren zusammengepresst, als ob sie Schmerzen leide.
    «Geht es Euch gut?», fragte sie besorgt.
    «Ja, ja. Es ist nichts, hat Zeit, bis du mir gesagt hast, wie viel Geld ich haben werde.»
    Das Mädchen sah nur noch flüchtig in die Hand. «In Eurer Geldbörse wird immer das Nötige vorhanden sein.»
    «Reichtum. Ich habe von Reichtum gesprochen. Guck
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