Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Mädchen, das den Himmel berührte: Roman (German Edition)

Das Mädchen, das den Himmel berührte: Roman (German Edition)

Titel: Das Mädchen, das den Himmel berührte: Roman (German Edition)
Autoren: Luca Di Fulvio
Vom Netzwerk:
Dennoch gab der Junge nicht auf, sondern stürzte sich erneut auf den großen Kerl und schlug ihn mitten ins Gesicht.
    Der Riese gab ein heiseres Knurren von sich, ließ den Kaufmann los und packte nun wütend den Jungen. Er wirbelte ihn durch die Luft und schleuderte ihn gegen Shimon Baruch, sodass schließlich beide hinfielen.
    Die Soldaten, die zunächst besorgt herbeigeeilt waren, um die Schlägerei zu schlichten, brachen in schallendes Gelächter aus, als sie sahen, wie sich die beiden Männer mit den gelben Hüten im Schlamm wälzten, als wollten sie miteinander ringen. Und alle Fischweiber stimmten mit wogendem Busen in das Gelächter ein, die Hände in die Hüften gestemmt. Auch der Würdenträger des Großwesirs lachte und ebenso die beiden Mohren mit ihren Krummsäbeln. Es lachten die albanischen Gaukler, die nun keine Bälle mehr in die Luft warfen, und die beiden spanischen Soldaten, die zwar nicht langsamer gingen, sich aber umgewandt hatten und nun rückwärts liefen, damit sie nichts von dem Spektakel verpassten. Und sogar die deutschen Gelehrten lachten, nachdem sie stehen geblieben waren und sich ihre Brillen aufgesetzt hatten. »Bring sie um!«, schrie der Junge, der in einiger Entfernung mit Steinen nach der Ziege geworfen hatte, um den Idioten anzustacheln. Auch die Sträflinge lachten, und einer rief dem Riesenkerl zu: »Los, zeig’s ihnen! Verpass ihnen ein paar saftige Tritte in den Hintern!«
    Und da trat der Schwachsinnige dem jungen Mann mit der gelben Mütze in den Bauch, als dieser gerade dem Kaufmann beim Aufstehen half. Der schlaksige Kerl stöhnte auf, drehte sich zu Shimon Baruch um und rief ihm mit angstgeweiteten Augen zu: »Bitte, flieht!« Dann stürzte er sich mit dem Mut der Verzweiflung schreiend auf den Riesen und schlug noch einmal auf ihn ein, bevor er das Weite suchte.
    Der Riese rannte dem jungen Mann mit dem gelben Hut Richtung Tiberufer hinterher, und sofort heftete sich der Junge mit der ungesunden gelben Gesichtsfarbe an ihre Fersen und schrie: »Verdammter Drecksjude! Du bist schon tot, verdammter Jude!«
    Shimon Baruch überlegte einen kurzen Moment lang, dass er dem jungen Glaubensbruder eigentlich zu Hilfe kommen müsste. Doch dann überwog die Furcht, die sein Leben von jeher beherrscht hatte, und der Kaufmann floh in die entgegengesetzte Richtung auf das Marcellustheater zu.
    Die Fischweiber, Sträflinge, Soldaten und alle übrigen auf der Piazza Sant’Angelo in Pescheria versammelten Menschen sahen dem kleinen Jungen und dem Riesen, die dem jungen Kerl mit dem gelben Hut hinterhersetzten, lachend nach.
    In dem allgemeinen Durcheinander steckte das Mädchen mit der alabasterweißen Haut, das in den Abfällen gewühlt hatte, eine Hand in einen Weidenkorb am äußersten Rand der Marmorplatte eines Verkaufsstandes. Sie packte so viele Makrelen, wie sie greifen konnte, ließ sie in einen Ärmel ihres Gewandes gleiten und verschwand dann mit angehaltenem Atem, ohne dass die Fischweiber es bemerkten.
    Inzwischen war der junge Mann mit dem gelben Hut um die Ecke gebogen, die beiden Verfolger hatten ihn nun beinahe erreicht und grölten weiter Schmähungen gegen das Volk der Juden. Ein Betrunkener stellte sich schwankend mit ausgebreiteten Armen mitten auf die Gasse und schrie dem auf ihn zukommenden Kerl entgegen: »Bleib stehen, du dreckiger Judas!«
    Der blieb einen Schritt vor dem Betrunkenen stehen. »Antworte mir: Auf einer Skala von eins bis zehn, wie dumm bist du da wohl?«
    Reglos und mit einfältigem Gesichtsausdruck glotzte ihn der Betrunkene an.
    Der junge Mann nahm den Hut ab und warf ihn dem verdutzten Kerl feixend an den Kopf. »Trink lieber noch einen, während du darüber nachdenkst«, sagte er. Dann drehte er sich zu dem Jungen mit der gelblichen Haut und dem Riesen um, die ihn mittlerweile eingeholt hatten. »Los, bewegt euch«, befahl er ihnen.
    Der Betrunkene starrte ihn verständnislos an.
    »Dreckskerl!«, rief der Junge mit der gelblichen Haut und spuckte ihn an.
    Schweigend gingen sie zu dritt weiter. Als sie um die nächste Ecke gebogen waren, versetzte der junge Mann dem Riesen mit dem Ellenbogen einen kräftigen Stoß in die Seite: »Du erbärmlicher Schwachkopf, lern gefälligst, nicht so fest zuzuschlagen«, fuhr er ihn an.
    Der Riese blickte nun erschrocken drein. »Enschuldige …«, sagte er kläglich.
    Dann drehte der schlaksige Kerl sich zu dem Jungen um. »Und du, versuch gefälligst, deine Bestie im Zaum zu halten.« Er krümmte sich
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher