Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Luxemburg-Komplott

Das Luxemburg-Komplott

Titel: Das Luxemburg-Komplott
Autoren: Christian von Ditfurth
Vom Netzwerk:
doch Schwierigkeiten bereiten könnte. Wissen Sie, wir Generalstabsoffiziere sagen mit Clausewitz, Strategie ist in Wahrheit ein System von Aushilfen. Sie gehen in die Schlacht, Sie haben einen Plan, doch wenn die Schlacht beginnt, läuft es immer anders. Zeitweise glaubten wir, dass sich die Taktik der Frau Dr. Luxemburg durchsetzen würde. Bei einer Massenmobilisierung der Arbeiter wären wir womöglich in Bedrängnis geraten. Um sicherzugehen, beschlossen wir, dieses Risiko zu verringern. Sie verstehen, was ich meine?« Er schaute Zacharias fast belustigt an.
    »Mord«, sagte Zacharias wütend.
    »Dass Sie sich darüber empören, finde ich besonders komisch«, erwiderte Ludendorff und lachte. »Aber dann merkten wir, dass Frau Dr. Luxemburg in die Minderheit geriet in der eigenen Partei und ihre Freunde in Moskau sie umbringen wollten. Auch das entbehrt nicht einer gewissen Komik. Und es befreite uns von dem Druck, etwas zu tun. Die Dinge liefen hervorragend, besser, als wir zu hoffen gewagt hatten.« Ludendorff lehnte sich zurück und lachte lautlos.
    »Danke, Herr Ludendorff«, sagte Groener. »Damit sind alle Fragen geklärt. Abführen!«
     
    *
     
    Im Gang hörte er Schritte, dann ein Wimmern. Die Schritte und das Wimmern kamen näher, dann entfernten sie sich wieder.
    Er saß und suchte sich einen Punkt an der Wand, fand eine trichterförmige Einkerbung und blieb mit dem Blick daran hängen, als könnte er an dieser Stelle durch die Wand schauen. Er stellte sich vor, wie es draußen sein mochte. War es kalt? Schneite es? Er erinnerte sich an den Schnee in Deutschland. Dann tauchte Margarete auf, ihre dürre Gestalt, das Lächeln, das sie sich abzwang gegen das Leid. Auch sie war jetzt fast zwanzig Jahre älter. In Deutschland herrschten die Militärs, sie hatten aufgerüstet und drohten mit einem neuen Krieg. Sie konnten den Feinden die Niederlage nicht vergeben. In der Sowjetunion Stalins herrschte Not, als befände sich das Land schon im Krieg. Warum bin ich zurückgekommen? Warum ausgerechnet nach Sowjetrussland?
     
    *
     
    Sie wurden abgeführt, und Zacharias hörte die Generale noch lachen. In ihrem Lachen lag Selbstzufriedenheit. Sie wurden in den Keller geführt und dort in einen großen Raum gesperrt. Dann hörten sie, wie der Riegel vorgeschoben wurde.
    Zacharias schaute sich um, es war der Kohlenkeller, schwarzer Staub stand im Raum, eine schmale Luke war in die Wand eingelassen, darauf ein rissiges Brett, durch das wenige Sonnenstrahlen einfielen und gelbe Punkte auf dem Boden zeichneten. Dort wurde die Kohle hinuntergeschüttet. Jogiches hustete. Dann zündete er sich eine Zigarette an. Rosa stand unschlüssig in der Mitte des Raums, Zacharias untersuchte die Wände.
    »Sie werden uns töten«, sagte Rosa ruhig.
    »Ja«, sagte Jogiches. »Nur wenige Revolutionäre sterben im Bett.«
    Dann schwiegen sie.
    Zacharias setzte sich auf den Boden, aber als er spürte, wie die Kälte nach ihm griff, stand er wieder auf. Seine Augen hatten sich an die Dunkelheit gewöhnt. Die Luke war zu klein, um durchzukriechen. Verzweiflung überkam ihn. Nicht aufgeben. Es gibt immer eine Chance.
    »Ob sie einen Prozess veranstalten? Oder bringen sie uns gleich um?« Jogiches hustete leise.
    »Eine Revolution als Farce«, flüsterte sie. »Als blutige Oper. Das wäre Hugo Wolf niemals gelungen. Die Wirklichkeit als Oper. Die Revolutionäre auf der Bühne, Ludendorff der Drehbuchschreiber und Groener als Regisseur, unsichtbar beide. Und ich in einer Hauptrolle, ohne es zu wissen. Kann das sein, Leo? Sag was! Antworte mir!«
    Jogiches zog an seiner Zigarette, die Glut warf einen gelbroten Schein in den schwarzen Keller. Er hustete wieder.
    »Die Wirklichkeit ist keine Oper, sondern eine Operette. Eine schlechte, wobei ich nicht weiß, ob es gute Operetten geben kann. Wir sind jedenfalls die Witzfiguren.« Er sprach leise und heiser.
    Zacharias hörte zu, aber es interessierte ihn nicht, was die beiden sagten. Er suchte nach einer Möglichkeit, sie herauszubringen aus dem Keller. Da nutzte Selbstmitleid wenig. Er kletterte auf den Kohlehaufen, Eierkohlen fielen auf den Boden und staubten. Rosa und Jogiches schauten neugierig zu. Zacharias fiel hin und stützte sich mit den Händen. Er kroch zum Schacht, der Berg gab nach, wo er Knie und Hände stützte. Eierkohlen kullerten hinunter.
    »Wenn Sie jemand hört«, sagte Rosa.
    »Lass ihn«, sagte Jogiches. »Es ist egal.«
    Endlich hatte Zacharias die Luke erreicht. Mit
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher