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Das Lied von Anevay & Robert (The Empires of Stones) (German Edition)

Das Lied von Anevay & Robert (The Empires of Stones) (German Edition)

Titel: Das Lied von Anevay & Robert (The Empires of Stones) (German Edition)
Autoren: Erik Kellen
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Leben aus ziemlich vielen Schatten. Vielleicht war es an der Zeit, ein wenig Licht hereinzulassen.
    Den Rest des Dinners verbrachte er in brütendem Schweigen. Coldlake mümmelte jeden Teller leer, als gäbe es kein Morgen. Fast hätte Robert damit gerechnet, dass der Schotte nach jedem Bissen: »Im Auftrag der Königin, verdammt noch eins!« rief, doch der grinste nur schmatzend. Wenigstens konnte Lord Humberstone das Dessert genießen. Er war versessen auf Süßes, so sehr, dass es fast schon einer Obsession gleichkam. Er bemühte sich, dabei nicht allzu schwelgerisch zu wirken.
    Robert verabschiedete sich höflich und mit einem knappen Nicken, wobei Coldlake noch eine gute Nacht wünschte, während er ein weiteres Ale bestellte. Zurück in der Suite lag das Buch einen Grad weniger Südsüdost, das Lesezeichen steckte ebenfalls ein Stück zu tief in den Seiten. Robert blickte sich aufmerksam um, konnte aber nicht feststellen, ob wirklich jemand in seinem Raum gewesen war. Hatte er sich vielleicht geirrt? Coldlake war die ganze Zeit über mit ihm im Speiseabteil gewesen. Dann gab es womöglich noch jemanden, der ein Auge auf ihn haben sollte?
    Coldlake würde das Buch in keiner Bibliothek finden, und sollte es jemand abfotografiert haben, viel Spaß dabei, dachte Robert. Es war in der Geheimschrift seines Großvaters geschrieben worden. Nur zwei Menschen konnten dieses Wirrwarr aus Zeichen und Buchstaben überhaupt entziffern.
    Robert hängte den Arm aus der Halterung, streifte müde die Uniformjacke ab und sackte sofort ein wenig in sich zusammen. Es war ein anstrengender Tag gewesen. Sein linker Arm schmerzte unter der Metallkonstruktion. Er war sich nicht sicher, woran das liegen mochte, denn bislang hatte es keine Schwierigkeiten gegeben, seit er sie angebracht hatte. Dennoch spürte er in letzter Zeit manchmal ein seltsames Kribbeln, ganz so, als würde noch ein Funken Leben in diesem verdrehten und nutzlosen Fleisch stecken, das seine Aufmerksamkeit einforderte.
    Er setzte sich auf das Bett, kickte mühsam jeweils mit einem Fuß die Schaftstiefel fort, seufzte erleichtert und ließ sich rücklings auf die weiche Decke sinken, die Augen fest geschlossen.
    Wer war er in dieser Welt? Der Verstand meldete sich, doch Robert wollte keine Antworten seines Verstandes, er wollte die seines Herzens, seiner Seele? Er wusste nicht genau, was er eigentlich wollte, doch manchmal wollte er nur fliehen, so weit fort gehen, dass ihn niemand mehr fand. Einen Ort, an dem so vollkommene Stille herrschte, dass er endlich den Robert fand, der irgendwo unter all diesen Schatten begraben lag. Er packte die Decke und warf sie halbherzig über sich. Zwei Atemzüge später schlief er bereits.
    Jemand leckte an seinem Ohrläppchen. Es kitzelte, war warm und vertraut. Robert schlug die Augen auf.
    »Da ist etwas auf dem Dach, Robbie. Ich dachte, melde es mal lieber. Die andern schlafen ja alle noch.«
    Robert drehte den Kopf zur Seite. Da saß ein kleines Fellknäuel, kaum auszumachen in der Dunkelheit. Grau, schwarz, weiß-grau gezackte Flanken, heller Bauch. Doch alle Farben zusammen verschwammen zu einer perfekten Tarnung.
    »Danke, Poe«, murmelte Robert, öffnete die Hand, woraufhin der kleine Kerl darauf zuflitzte und es sich bequem machte. Er hob die Hand, roch warmes, weiches Fell und spürte zitternde Schnurrhaare an seiner Wange.
    »Du solltest dich lieber wieder verstecken, hörst du? Es ist zu gefährlich, sich hier zu zeigen!« Es sollte tadelnd klingen, doch Robert hörte selbst, wie lahm es rüberkam. Der dsungarische Hamster strich die Vorderpfoten über die Ohren, weil er ihm das Fell durcheinander gebracht hatte und stellte sich auf.
    »Hab´s abgeschnuppert, in diesem Raum ist keine Magie, außer deiner.«
    »Und das Dach?« Robert stand auf, ging zwei Schritte, nahm seinen Revolver aus dem Holster. Er hatte ihn selbst gebaut. Ein gefährliches Ding und gut gehütetes Geheimnis.
    »Leise Schritte. Sie kamen von achtern und blieben genau über unserem Wagon stehen, seitdem nix mehr. Entweder stehen sie da noch immer, oder die können fliegen.«
    Wenn Robert eines in den letzten Jahren gelernt hatte, dann dass er seinen Clangeistern bedingungslos vertrauen konnte. Niemand, nicht einmal Caroline, wusste von ihnen. Noch etwas, das die Königin besser nicht erfahren sollte.
    »Bitte geh wieder in dein Nest, Poe.« Robert lud die Waffe, ein leises, kaum wahrnehmbares Summen pumpte das Pulver in die erste Kammer, wo es eine
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