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Das Lied des Kolibris

Das Lied des Kolibris

Titel: Das Lied des Kolibris
Autoren: Ana Veloso
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finden wäre, wusste Lua nicht. Es konnte gut sein, dass ihnen eine längere Suche bevorstand.
    »Ja«, sagte Lua, »wir werden das nächste Schiff nach Rio nehmen. Und dann werden wir weitersehen. Ich werde Euch aber auf alle Fälle schreiben – jetzt muss ich ja nicht mehr verheimlichen, dass ich es kann.«
    Sie kicherten gemeinsam. Doch Eulália wurde schnell wieder ernst. »Ich beneide euch. Wie schön es sein muss, alles hinter sich zu lassen und irgendwo anders einen Neuanfang zu machen.«
    »Ja, und ich freue mich sehr darauf. Aber ich glaube, dass auch Euer Leben ab sofort eine Wende zum Besseren nimmt. Es wird Euch bestimmt in Zukunft viel leichter fallen, sich auf Três Marias durchzusetzen, jetzt, da Ihr Euch einmal Respekt verschafft habt.«
    »Dein Wort in Gottes Ohr, Lua.«
    »Und in Dona Filomenas Ohr«, meldete sich nun auch Zé wieder zu Wort. »Sie ist wirklich eine ziemlich herrschsüchtige Dame.«
    Sie lachten darüber, doch sowohl bei Eulália als auch bei Lua kippte dieses Lachen bald in ein leises Schluchzen um. Sie umarmten sich.
    »Ich werde dich vermissen, Lua. In einem anderen Leben hätten wir sicher gute Freundinnen werden können.«
    »Ich finde, wir sind es schon in diesem Leben.«
    »Erzähl deinem Kind nicht allzu viele Schauermärchen von deiner Zeit als Sklavin und von deiner ehemaligen Sinhazinha.«
    »Wenn es ein Mädchen wird, könnten wir es ja Eulália nennen«, sagte Zé in fragendem Ton und mit einem Seitenblick zu Lua. Es war das größte Kompliment, das er Eulália machen konnte, auch wenn es sicher nur der Stimmung des Augenblicks zu verdanken war. Eher würden sie ihre Tochter Kasinda nennen, schätzte Lua.
    »Und wenn es ein Junge wird?«, fragte Eulália mit Tränen der Rührung in den Augen.
    »Da schwanken wir noch, aber einer unserer Favoriten ist Bombom junior.« Zé zwinkerte Lua verschwörerisch zu.
    Sie brachen alle drei in Gelächter aus. »Ihr seid verrückt«, stellte Eulália fest.
    Ja, das waren sie.
    Verrückt vor Liebe. Und vor Glück.

Historischer Hintergrund
    S alvador da Bahia war bis 1763 die Hauptstadt der portugiesischen Kolonie Brasilien. In der Region um Salvador befanden sich zahlreiche ausgedehnte Zuckerrohrplantagen, die allein aufgrund der Sklavenarbeit phantastische Gewinne abwarfen und ihren Besitzern ein Leben in Saus und Braus ermöglichten. Südlich von Salvador wurde ab dem 18. Jahrhundert vorwiegend Kakao angebaut, auch dies ein Produkt, das dank der Sklavenarbeit sowie der großen Nachfrage nach Schokolade in Europa die Plantagenbesitzer – und die Sklavenfänger – reich machte.
    Insgesamt wurden vom Ende des 16. bis zum Beginn des 19. Jahrhunderts rund vier Millionen Afrikaner, meist aus dem Westen des Kontinents, nach Brasilien verschleppt, ein Großteil von ihnen nach Bahia (heute ein Bundesstaat Brasiliens). Die Bedingungen auf den Sklavenschiffen waren unvorstellbar grausam: Mehr als die Hälfte der Gefangenen überlebte die Reise nicht. Wer lebend in Südamerika ankam, hatte jedoch ebenfalls keine allzu hohe Lebenserwartung. Die Schwarzen wurden wie Vieh behandelt und mussten sich förmlich zu Tode schuften. Sie wurden gezwungen, ihre Sprache, ihren Glauben und all ihre überlieferten Traditionen abzulegen, und mit diesem Verlust ihrer kulturellen Identität ging eine womöglich noch größere Schwächung ihres Stolzes einher als durch die körperlichen Torturen.
    Nur sehr wenigen von ihnen gelang es, Zuflucht in einem Quilombo zu finden, einem von Schwarzen geführten Dorf im unwegsamen Landesinnern. Das vielleicht berühmteste Quilombo war »Palmares«, das zu seiner Blütezeit in der Mitte des 17. Jahrhunderts eine Fläche von der Größe Portugals einnahm und an die 30 000 Einwohner hatte. Sein letzter Anführer, Zumbi, wurde 1695 enthauptet – und wird bis heute als Held des Widerstands der Sklaven gegen die Herrschaftsschicht verehrt.
    Einigen Schwarzen gelang es auch, sich die Freiheit zu erkaufen. Manche von denen, die sich freikaufen konnten, gingen zurück nach Afrika und trieben Handel mit ihren einstigen Besitzern, andere blieben in Brasilien und schlugen sich mit Handwerk und Kleinstgewerbe durch. Einzelne gelangten als Künstler zu Geld und großem Ansehen, wie etwa der Bildhauer und Maler José Joaquim da Rocha, der die prachtvollste Kirche Salvadors ausgestattet hat – diese jedoch als Schwarzer nie besuchen durfte …
    Bahia gilt als der »afrikanischste« aller brasilianischen Bundesstaaten, nicht
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