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Das Lied der Klagefrau

Das Lied der Klagefrau

Titel: Das Lied der Klagefrau
Autoren: Wolf Serno
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versprochen hatte. Dann fiel ihr ein, dass die beiden ja eins waren.
    »Hm, hm.« Pausback errötete schon wieder.
    Alena tat, als bemerke sie es nicht. »Am besten, ihr folgt mir.«
    Keine fünf Minuten später erreichten sie den Turm und blickten sich um. Das Lager der Nacht war verschwunden. Niemand war zu sehen – niemand außer den Puppen auf dem Karren.
    Wo war Klingenthal? Alena rief ein paarmal laut seinen Namen. Er schien verschwunden.
    »Mir scheint, liebe Alena, dein Gefährte hat vor deiner Schönheit Reißaus genommen!«, rief Listig und lachte.
    »
Absurdité!
Was lacht Er so stupid?« Es war Friedrich, die Puppe, die plötzlich sprach. »Was ist Er überhaupt für ein Hänfling? Nehme Er sich an seinem Träger ein Beispiel, den hätte mein Vater, der Soldatenkönig, Gott hab ihn selig, mit
Plaisir
zu den langen Kerls gesteckt!«
    Der Söldner hieb in dieselbe Kerbe: »Ja, was ist das überhaupt für ein Hänfling? Den sollte man mal Spießruten laufen lassen!«
    »Oder ersäufen!«, brüllte der Schiffer. »Oder kielholen! Oder an den Mast nageln!«
    »Infam!«,
empörte sich das Burgfräulein. »Was ist das für eine Begrüßung!
Mon Dieu,
wie
infam!
«
    »Aber, aber«, beschwichtigte der Schultheiß. »Wir wollen doch gastlich sein.«
    Die Magd pflichtete ihm bei: »Es ist immerhin Besuch.«
    Der Landmann gähnte. »Besuch? Wo? Wer?«
    »Der Dünnmann, der da oben im Mastkorb sitzt«, erklärte der Schiffer.
    »Ja, ein Dünnmann ist er«, bestätigte der Landmann.
    »Vielleicht will er dicker werden?«, fragte der Söldner.
    »An der Lippe vielleicht«, schlug der Schiffer vor.
    »Ja, an der Lippe!«, krähte Friedrich.
    »Zu Befehl, Fritz!«, rief der Söldner. »Ich mach sie ihm so dick, dass drei Hühner drauf sitzen können.«
    »Gnade, Gnade, Gnade!«, rief Listig in gespielter Verzweiflung. »Hört auf, ihr Puppen!« Er hatte die Lage längst durchschaut und wusste, dass Klingenthal sich irgendwo verborgen hielt, um ihn und Pausback auf seine Art zu begrüßen. »Hör mal, Alter Fritz, wo hast du denn deinen Meister gelassen?«
    »Hier!« Klingenthal tauchte mit freudiger Miene hinter einem Busch auf und kam mit schnellen Schritten heran. »Willkommen auf Burg Plesse, ihr zwei! Ich sehe, ihr habt euch mit Alena schon bekannt gemacht.«
    »Haben wir, haben wir. Ich muss sagen, Julius, ich kann jetzt verstehen, warum du es damals so eilig hattest, nach Potsdam zu kommen, um dieser jungen Dame hinterherzulaufen. Wenn du dazu irgendwann mal keine Lust mehr haben solltest, sag nur Bescheid. Dann lauf ich für dich weiter.« Listig beugte sich vor und sprach in Pausbacks Ohr: »Nicht wahr, du mein braves Gehwerkzeug?«
    Pausback antwortete nicht. Er starrte verlegen Löcher in die Luft.
    »Nicht wahr, du mein braves Gehwerkzeug?«
    »Hm, hm.«
    Alena rettete die Situation, indem sie sagte: »Ich mache erst einmal Feuer, damit wir etwas zu essen bekommen.«
    »Essen, sagtest du essen?« Listig klang begeistert. »Was gibt’s denn?«
    »Nun …« Alena zögerte. »Offen gesagt, waren Klingenthal und ich nicht auf Gäste eingestellt. Es wird wohl ein sehr einfaches Mahl werden.«
    »Das macht nichts. Wie pflege ich immer zu sagen: Hunger macht rohe Bohnen süß.«
    Alena lächelte. »Wenn ihr statt Bohnen mit einer Rübensuppe vorliebnehmen würdet, wäre mir schon sehr geholfen.«
    »Rübensuppe ist mein Leibgericht! Ich liebe Rübensuppe!«
    »Es gibt außerdem Eier und eine halbe Göttinger Mettwurst.«
    »Das ist nicht viel für uns alle, aber für mich wird es grad reichen.«
    »Hm, hm.« Pausback schnaufte. »Haben selbst auch was dabei. Kartoffeln vom Bauern haben wir und Zwiebeln auch.«
    Listig schlug sich an den Kopf. »Natürlich, Pausback! Gerade wollt ich’s sagen, da kommst du mir zuvor. Wenn wir alles zusammentun, mag noch der eine oder andere außer mir essen.«
    Klingenthal trat vor, stellte sich auf die Zehenspitzen und hob Listig mit einiger Mühe aus dem Reff. Listig nutzte die Gelegenheit und drückte Klingenthal ungeniert einen Kuss auf die Stirn. »Alena scheint einen glättenden Einfluss auf deine Falten auszuüben, lieber Freund, du siehst jünger aus denn je!«
    »Und du bist noch immer frech wie Fliegen und mit dem Mund vorneweg«, erwiderte Klingenthal fröhlich. Er setzte Listig vorsichtig neben der Feuerstelle ab. »Sag, wie ist es euch ergangen?«
    Listig schielte auf die Flämmchen, die sich unter Alenas kundiger Hand rasch zu einem Feuer entwickelten, dazu auf das
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