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Das Lied der Hoffnung: Roman (German Edition)

Das Lied der Hoffnung: Roman (German Edition)

Titel: Das Lied der Hoffnung: Roman (German Edition)
Autoren: Linda Holeman
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sich ihr ins Gedächtnis eingebrannt hat: wie ihr Sohn von ihr wegreitet und sie mit erhobener Hand dasteht und Konstantin nachruft: Warte, so warte doch, bitte. Michail braucht seine Mütze. Sie sah, wie Michails Haar hinter ihm herwehte, und stellte sich vor, wie kalt es sich anfühlte. Wie es nach dem frischen Wind duftete.
    Nun kniet Lilja zwischen Tisch und Sofa und schiebt Antonina einen Löffel voll Marmelade in den Mund. » Für Wein ist es noch zu früh, Gräfin « , sagt sie, und Antonina nickt.
    » Du hast recht, keinen Wein mehr heute. « Sie schluckt die Marmelade herunter und nippt von der dampfenden Flüssigkeit aus dem Glas in dem verzierten silbernen Teeglashalter, das Lilja ihr an die Lippen hält. Antonina nimmt die Süße der Marmelade und die Hitze des Tees wahr, schmeckt aber nichts.
    » Wie lange, glaubst du, brauchen sie, bis sie ihn gefunden haben? « , fragt sie. » Noch bevor es dunkel wird, gewiss vor Einbruch der Dunkelheit. Glaubst du nicht auch, Lilja? «
    Lilja stellt ihr Glas auf den Tisch zurück. » Ganz bestimmt, Gräfin. Es dauert ja noch ein paar Stunden, bis es dunkel wird. « Ihr Gesicht ist angespannt, ausdruckslos. Irgendwie erscheint sie Antonina mit einem Mal fremd. Lilja ist ihr näher als alle anderen Dienstboten, aber jetzt wirkt sie abwesend und nicht wie ihre Vertraute.
    » Quälen Sie sich nicht länger, Gräfin « , sagt Olga. » Am besten, Sie schlafen ein wenig. Wenn Sie schlafen … «
    » Oh nein. Ich will hinausgehen und Ausschau nach ihnen halten. « Antonina springt auf, der Schal gleitet zu Boden, und Tinka hüpft ebenfalls vom Sofa. Lilja, die noch immer auf dem Boden neben dem Samtsofa kniet, lehnt sich zur Seite, damit Antoninas ausgestellter Rock nicht ihr Gesicht streift. Als Olga einen Schritt zurück macht, tritt sie dem Hund unabsichtlich auf die Pfote. Tinka quiekt erschrocken und huscht unter das Sofa.
    Antonina eilt in den Flur hinaus und zur Haustür. Lilja rappelt sich eilig hoch und läuft hinter ihr her.
    » Gräfin « , sagt sie und berührt Antoninas Hand. » Olga hat recht. Sie sollten jetzt ins Bett gehen und eine Schlaftablette nehmen. «
    Antonina schüttelt den Kopf und verschränkt die Arme vor der Brust. » Nein, ich muss hier sein, wenn Michail zurückkehrt. Ich will auf ihn warten. «
    » Gut. Aber kommen Sie wieder in den Salon und trinken Sie noch etwas Tee. Sie haben seit dem Frühstück nichts mehr gegessen. Wenn Sie noch ein Glas Tee und ein paar Bissen zu sich nehmen, werden Sie … wieder schneller Sie selbst sein. Dann haben Sie wieder genug Kraft, um sich um Ihren Sohn zu kümmern, denn bestimmt wird er Sie brauchen. Kommen Sie « , sagt Lilja. Dann senkt sie die Stimme, damit Olga sie nicht hört, und fügt, zum vertraulichen Du wechselnd, hinzu: » Komm, Tosja, bitte. «
    Antonina leckt sich über die Lippen. Als sie Liljas Kruzifixanhänger sieht, muss sie an das Amulett des heiligen Nikolaus denken, das Michail an einer Goldkette um den Hals trägt. Hat sie tatsächlich einmal geglaubt, dass der heilige Nikolaus ihren Sohn beschützen könnte? Allmählich macht sich der Schock bemerkbar, und sie beginnt zu zittern. » Ja, gut. «
    Sie begibt sich zu dem samtbezogenen Sofa zurück und legt sich wieder den Schal um die Schultern. Während Lilja ein weiteres Glas Tee einschenkt, erteilt sie Olga ein paar gemurmelte Anweisungen. Tinka krabbelt unter dem Sofa hervor, und Lilja hebt sie hoch und legt sie Antonina in den Schoß.
    Während sie ihren Tee trinkt, streichelt Antonina abwesend das Hündchen.
    Olga erscheint mit einem Tablett. Antonina wirft einen Blick auf den kalten Hammelbraten, den Rote-Bete-Salat und das mit Butter bestrichene Brötchen. Sie schluckt. Ihr Magen ist wie zugeschnürt.
    » Lassen Sie sich Zeit, Gräfin « , sagt Lilja. » Nehmen Sie wenigstens einen Happen zu sich. « Sie bricht ein Stück Brötchen ab und reicht es Antonina.
    Antonina nimmt den Bissen und steckt ihn in den Mund. Dann schneidet sie sich ein Stück von dem Hammelbraten ab und beginnt zu essen. Sie kaut und schluckt vorsichtig, als hätte sie einen Widerstand in der Kehle, bis sie den Teller halb leer gegessen hat. Dann hält sie Tinka eine Scheibe Fleisch hin.
    Schließlich tupft sie sich den Mund mit der Damastserviette ab. » Danke, Olga. Ich werde jetzt am Fenster Ausschau halten. « Die alte Frau nimmt das Tablett und verlässt den Raum.
    Mit Tinka auf den Armen geht Antonina zu einem der Verandafenster, die auf den Hof
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