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Das Licht in Buddhas Spiegel - Neal Carey 2

Das Licht in Buddhas Spiegel - Neal Carey 2

Titel: Das Licht in Buddhas Spiegel - Neal Carey 2
Autoren: Don Winslow
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Vielleicht durch deine rechte Hand?«
    Er machte eine obszöne Geste mit seiner Gummi-Pranke, die stets halb geschlossen war. Er konnte fast alles damit tun, außer damals, als er sich in einem Kampf die Linke gebrochen hatte. »Wenn du pissen mußt«, hatte er gesagt, »lernst du deine wahren Freunde kennen.« Neal war einer dieser Freunde gewesen.
    Graham schaute sich mit großer Geste um, obwohl Neal wußte, daß er bereits in den paar Sekunden, die er gebraucht hatte, um seinen Mantel auszuziehen, alles wahrgenommen hatte.
    »Schön hier«, sagte Graham sarkastisch.
    »Zu mir paßt es.«
    »Das ist wahr.«
    »Kaffee?«
    »Hast du ‘ne saubere Tasse?«
    Neal ging in die kleine Küche und kehrte mit einer Tasse zurück, die er Graham in den Schoß warf. Der untersuchte sie gründlich.
    »Vielleicht können wir ausgehen«, sagte er.
    »Vielleicht können wir die Sache kurz und schmerzlos machen, und du sagst mir einfach, warum du hier bist.«
    »Es ist Zeit, daß du wieder arbeitest.«
    Neal zeigte auf die Bücher, die sich vor dem Kamin stapelten.
    »Ich arbeite.«
    »Ich meine richtige Arbeit.«
    Neal hörte den Regen auf das Reetdach prasseln. Verrückt, dachte er, daß er dieses Geräusch hören, aber Grahams Klopfen nicht hatte erkennen können. Graham hatte mit seiner steifen Plastikpfote geklopft, denn in der anderen hatte er den Koffer gehalten. Neal Carey war außer Übung, und er wußte es.
    Er wußte auch, daß es keinen Zweck hatte, Graham erklären zu wollen, daß die Bücher auf dem Boden »richtige Arbeit« waren. Also sagte er: »Als wir uns das letzte Mal unterhalten haben, war ich ›freigestellt‹, erinnerst du dich?«
    »Um dich abzukühlen.«
    »Dann bin ich also mittlerweile abgekühlt?«
    »Eiskalt.«
    Ja, dachte Neal, so bin ich. Eiskalt. Kalt an der Oberfläche und leicht zu schmelzen. Der letzte Job hätte mich beinahe für immer aufgetaut.
    »Ich weiß nicht, Dad«, sagte Neal. »Ich glaub’, ich bin in Frührente gegangen.«
    »Du bist 24.«
    »Du weißt, was ich meine.«
    Graham lachte. Seine Augen wurden zu schmalen Schlitzen. Er sah aus wie ein irischer Buddha ohne Bauch.
    »Du hast noch das meiste von dem Geld, oder?« sagte er. »Was glaubst du, wie lange du davon leben kannst?«
    »Lange.«
    »Wer hat dir das beigebracht – dein Geld einzuteilen?«
    »Du.«
    Du hast mir noch viel mehr beigebracht, dachte Neal. Wie man jemanden verfolgt, ohne entdeckt zu werden. Wie man sich in ein Appartement rein- und wieder rausschleicht. Wie man einen Aktenschrank knackt, wie man ein Zimmer durchsucht. Wie man drei einfache, preiswerte Mahlzeiten am Tag zubereitet, wie man eine Wohnung sauberhält und wie man Respekt vor sich selbst bekommt. Alles, was ein Privatermittler können muß.
    Neal war zehn Jahre alt, als er Graham getroffen hatte; als er versucht hatte, Graham die Geldbörse zu stibitzen, erwischt worden war und anfing, für ihn zu arbeiten. Neals Mutter war eine Hure, und sein Vater war irgendwer und irgendwo, also hatte Neal nicht unbedingt das allergrößte Selbstbewußtsein. Außerdem hatte er kein Geld, kein Essen und keine Ahnung, was er mit sich anfangen sollte. Joe Graham gab ihm all das.
    »Gern geschehen«, unterbrach Graham Neals Erinnerungen.
    »Danke«, sagte Neal und kam sich sehr undankbar vor. Genau das hatte Graham bezweckt. Graham war wirklich gut.
    »Ich meine, du willst doch irgendwann wieder an deine Universität zurück, oder?« fragte Graham.
    Er muß schon mit meinem Professor geredet haben, dachte Neal. Joe Graham stellte selten eine Frage, deren Antwort er nicht bereits kannte.
    »Du hast mit Dr. Boskin geredet?« fragte Neal.
    Graham nickte fröhlich.
    »Und?«
    »Und er sagt dasselbe wie wir. ›Komm heim, Schätzchen, alles ist vergeben.‹«
    Vergeben? dachte Neal. Ich habe doch nur getan, was ihr wolltet. Und dafür habe ich einen Packen Scheine und eine Auszeit im Exil bekommen. Exil gefällt mir ja auch gut. Es hat mich bloß die Liebe meines Lebens und ein Jahr meines Studiums gekostet. Aber Diane hätte mich so oder so verlassen, und ich brauchte die Zeit für Hintergrundrecherchen.
    Graham wollte ihn nicht zu lange nachdenken lassen, also sagte er: »Du kannst ja auch nicht ewig wie ein Affe leben.«
    »Du meinst, wie ein Pfaffe.«
    »Ich weiß schon, was ich meine.«
    Also, ehrlich gesagt, Graham, dachte Neal, könnte ich sehr gut den Rest meines Lebens wie ein Pfaffe leben.
    Das stimmte. Er hatte sich erst daran gewöhnen müssen, aber Neal
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