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Das Licht ferner Tage

Das Licht ferner Tage

Titel: Das Licht ferner Tage
Autoren: Arthur C. Clarke , Stephen Baxter
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menschlichen Bewusstseins würde wohl nicht noch einmal stattfinden.
    Zugleich fühlten er – und David und der Rest ihrer Generation, die letzten der Unverbundenen – sich immer fremder und isolierter auf dem Planeten, der sie doch hervorgebracht hatte.
    Er wusste, dass diese strahlende Zukunft nicht für ihn leuchtete. Ein Jahr nach Kates Tod, nachdem eine Krankheit sie ihm so plötzlich entrissen hatte, wurde die Gegenwart uninteressant. Was ihm – und David – noch blieb, war die Vergangenheit.
    Also hatten sie beide beschlossen, die Vergangenheit zu erforschen, so weit und so schnell es ihnen möglich war; zwei alte Narren, die niemanden mehr hatten außer sich.
    Er verspürte einen Druck – leicht, unmerklich und doch kraftvoll. Es war, als ob jemand ihm die Hand drückte. »David?«
    »Bist du fertig?«
    Bobby schickte, nur für eine Sekunde, einen Splitter des Bewusstseins in den fernen Körper zurück, und schemenhafte Gliedmaßen bildeten sich um ihn herum aus. Er atmete tief durch, ballte die Hände zur Faust und öffnete sie wieder. »Packen wir’s an.«
    Sofort stürzte Bobbys Blickpunkt vom Himmel über Afrika hinab zur Südküste. Und während er fiel, zogen Tag und Nacht in schneller Folge über das Antlitz des Kontinents hinweg, und die Jahrhunderte taumelten in den Abgrund wie Blätter von einem herbstlichen Baum.
     
    In einer Tiefe von hunderttausend Jahren machten sie eine Pause. Bobby und David hingen wie zwei Glühwürmchen vor einem Gesicht mit buschigen Augenbrauen, platter Nase und klaren Augen. Es war das Gesicht einer Frau.
    Das Prädikat ›menschlich‹ verdiente dieses Gesicht nur mit Vorbehalt.
    Hinter ihr schürte ein Familienverband aus muskulösen Erwachsenen und Kindern, die wie Gorillababys aussahen, ein Feuer, das sie an diesem urzeitlichen Strand entfacht hatten. Im Hintergrund ragte eine niedrige Klippe auf. Der Himmel war wolkenlos und tiefblau; vielleicht war es ein Wintertag.
    Die Brüder tauchten tiefer in die Vergangenheit ein.
    Die Szenerie, die Sippe, der azurblaue Himmel wurden ausgeblendet. Die Urmenschen-Großmutter verschwamm, und ihr Gesicht wurde konturenlos, als die nächste Generation auftauchte. Das geschah so schnell, dass das Auge nicht zu folgen vermochte. Die Landschaft gerann zu einem grauen Wabern, während jede Sekunde die Jahreszeiten und Wetterbedingungen von Jahrhunderten vorbeistoben.
    Das Gesicht der multiplen Urahnin floss und veränderte sich. In einer Tiefe von einer halben Million Jahren bekam sie eine fliehende Stirn, die Augenwülste wurden dicker, das Kinn wich zurück, und das Gebiss schob sich vor. Auch wenn das nun ein Affengesicht war – diese Augen hatten ihre Intelligenz, ihr Strahlen und ihre Neugier nicht verloren, sagte Bobby sich.
    Die Hautfarbe änderte sich rasch von dunkel über hell zu dunkel.
    »Homo Erectus«, sagte David. »Ein Werkzeugmacher. Ist um den ganzen Planeten gewandert. Wir fallen immer noch. Alle paar Sekunden um hunderttausend Jahre. Mein Gott… Aber es gibt kaum Veränderungen…!«
    Abrupt erfolgte der nächste Übergang. Der Augenwulst wurde abgesenkt und das Gesicht in die Länge gezogen. Obwohl das Gehirn dieser Urahnin viel kleiner war als das des heutigen Menschen, war es immer noch größer als das eines Schimpansen.
    »Homo Habilis«, sagte David. »Vielleicht ist das auch Australopithecus. Die Entwicklungslinien sind verdrillt. Wir sind schon zwei Millionen Jahre zurück.«
    Die anthropologischen Etiketten spielten kaum eine Rolle. Bobby empfand den Anblick dieses flimmernden MultiGenerationen-Gesichts als unangenehm. Das Gesicht einer schimpansenartigen Kreatur, an das er im Zoo vermutlich keinen zweiten Blick verschwendet hätte… kaum vorstellbar, dass das seine Ahnin war, seine Urmutter in direkter Linie. So mussten die Bürger des viktorianischen England sich gefühlt haben, als Darwin von den Galapagos-Inseln zurückkam und seine Abstammungstheorie publik machte, sagte er sich.
    Nun wurden die letzten Spuren des Menschseins verwischt. Die Gehirnschale schrumpfte weiter, die Augen wurden glasig und verloren den intelligenten Ausdruck.
    Der Hintergrund, der durch die rasende Zeit verschwamm, gestaltete sich grüner. Vielleicht war Afrika in jener Zeit von Wald bedeckt. Die Ahnin entwickelte sich kontinuierlich zurück. Die Gesichtszüge im Fokus des WurmCam- Blickpunkts wurden gröber, die Augen weiteten sich und brachten etwas wie Furcht zum Ausdruck. Sie erinnerte Bobby nun eher an einen
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