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Das Licht der Phantasie

Das Licht der Phantasie

Titel: Das Licht der Phantasie
Autoren: Terry Pratchett
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Tarotkarten verloren auf rätselhafte Weise ihre Symbole. Kristallkugeln zeigten nichts weiter als grauen Dunst. Selbst Teeblätter, von Zauberern für gewöhnlich als banal und wenig vertrauenswürdig geschmäht, rührten sich nicht mehr von der Stelle, wenn man die Tassen austrank.
    Mit anderen Worten: Die Magier wußten nicht mehr ein noch aus. Galder Wetterwachs bemerkte die Verlegenheit seiner Kollegen und nickte.
    »Dann schlage ich hiermit das Ritual von AshkEnte vor«, sagte er in einem bedeutungsschwangeren Tonfall.
    Er mußte sich eingestehen, daß er mit einer ganz bestimmten Reaktion rechnete, mit Bemerkungen wie: »Nein, nicht das Ritual von AshkEnte! Der Mensch ist nicht dazu bestimmt, sich in solche Dinge einzumischen!«
    Doch zu seiner großen Überraschung hörte er zustimmendes Gemurmel.
    »Gute Idee.«
    »Klingt vernünftig.«
    »Laßt uns gleich damit anfangen.«
Zögernd und ein wenig verwirrt beauftragte Galder einige jüngere Zauberer damit, verschiedene magische Werkzeuge in den Saal zu bringen.
    Es wurde bereits angedeutet, daß zu jener Zeit in der magischen Bruderschaft erste Meinungsverschiedenheiten über die angemessene Praktizierung von Zauberei entstanden.
    Insbesondere jüngere Thaumaturgen vertraten die Ansicht, es sei geboten, das Image der Magie zu verbessern. Sie meinten, das Herumpfuschen mit Wachs und Knochen müsse ein Ende finden, sprachen sich dafür aus, den thaumaturgischen Forschungen eine moderne Basis zu geben. Dabei dachten sie an umfangreiche Entwicklungsprogramme und dreitägige Konferenzen in guten Hotels, bei denen sie magischwissenschaftliche Magazine mit Titeln wie ›Ist die Geomantie überholt?‹ und ›Die Bedeutung von Siebenmeilenstiefeln in der präindustriellen Gesellschaft‹ lesen konnten.
    Trymon, zum Beispiel, beschwor seit einer Weile kaum noch Magie und beschäftigte sich in erster Linie damit, den Orden mit SanduhrPräzision zu leiten und dauernd irgendwelche interne Mitteilungen zu schreiben. In seinem Arbeitszimmer hing eine große Karte mit vielen bunten Stecknadeln, kleinen Fähnchen und einem komplexen Liniengewirr. Niemand verstand, was sie darstellen sollte, aber auf alle wirkte sie höchst beeindruckend.
     
     
    D ie traditionelleren Zauberer hingegen hielten so etwas für progressiven Firlefanz und bestanden darauf, echte Magie erfordere kleine Wachsfiguren, in die man Nadeln stechen könne.
    Die Oberhäupter der acht Orden gehörten zu dieser streng orthodoxen Glaubensrichtung, und die Utensilien, die ihre Novizen am Rande des Oktogramms aufhäuften, erweckten einen sehr ernsten, okkulten Eindruck. Überall lagen Widderhörner, bleiche Totenschädel, verschnörkeltes Metall und dicke Kerzen – obgleich einige jüngere Magier herausgefunden hatten, daß man das Ritual von AshkEnte problemlos mit drei kleinen Holzstücken und vier Kubikzentimetern Mausblut durchführen konnte.
    Normalerweise dauerten die Vorbereitungen mehrere Stunden, aber die vereinte Kraft der älteren Thaumaturgen verkürzte diese Zeit erheblich. Nach nur vierzig Minuten intonierte Galder die letzten Worte der Zauberformel. Sie schwebten einige Sekunden lang vor ihm und lösten sich schließlich in Nichts auf.
    Die Luft dicht über dem Oktogramm schimmerte und verdichtete sich, und plötzlich entstanden die Konturen einer großen, dunklen Gestalt. Eine schwarze Kutte samt Kapuze verhüllte den größten Teil des Körpers, und das war auch besser so. In der einen Hand hielt der Unbekannte eine lange Sense, und selbst den kurzsichtigen Magiern entging nicht, daß die Finger nur aus weißen Knochen bestanden.
    In der anderen Hand sah Galder einige Käsewürfel und eine Ananasscheibe am Spieß.
    »NUN?« fragte der Tod mit einer Stimme, die kälter war als ein Eisberg. Er bemerkte die verwunderten Blicke der Magier und sah auf den Käse.
    »ICH HABE GERADE EINE PARTY BESUCHT«, fügte er ein wenig vorwurfsvoll hinzu.
    »O Geschöpf der Erde und der Finsternis, wir beschwören dich, uns gnädig…«, begann Galder in einem festen, gebieterischen Tonfall. Tod nickte.
    »JA, JA, DAS KENNE ICH SCHON«, sagte er. »WARUM HAST DU MICH HIERHER GERUFEN?«
    »Es heißt, du könntest in Vergangenheit und Zukunft sehen«, erwiderte Galder eingeschnappt. Er legte großen Wert auf die Bannrede, da viele Leute meinten, er trüge sie besonders gut vor.
    »DAS STIMMT HAARGENAU.«
    »Würdest du uns dann bitte mitteilen, was heute morgen geschah?« fuhr Galder fort. Er straffte seine
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