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Das Licht der Phantasie

Das Licht der Phantasie

Titel: Das Licht der Phantasie
Autoren: Terry Pratchett
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ehrfurchtgebietenden Ort. Viele der Bücher betrafen magische Geheimnisse, und in diesem Zusammenhang sollte man eins beachten: In den Händen eines ordnungsliebenden Bibliothekars sind sie in höchstem Maße gefährlich, denn er wird dazu neigen, sie alle in ein Regal zu stellen. Was keine besonders gute Idee ist, wenn es um Bände geht, aus denen thaumaturgische Energie quillt: Wenn sich zwei oder drei in unmittelbarer Nachbarschaft befinden, können sie eine kritische Schwarze Masse bilden. Außerdem achten viele der weniger wichtigen Zaubersprüche darauf, welche Gesellschaft sie pflegen, und ihr Protest besteht häufig darin, daß sie andere Bücher durchs Zimmer schleudern. Hinzu kommen natürlich noch die vagen Präsenzen der Dinge aus den Kerkerdimensionen, die sich an den magischen Lecks zusammendrängen und in den Mauern der Realität ständig nach Lücken suchen.
    Daraus folgt, daß der Beruf eines magischen Bibliothekars, der seine Arbeitszeit in einer mit thaumaturgischer Kraft aufgeladenen Atmosphäre verbringt, mit nicht unerheblichen Risiken behaftet ist.
    Nun, der Oberste Bibliothekar saß auf seinem Schreibtisch, schälte gerade eine Orange und war sich der Gefahren sehr wohl bewußt.
Er sah auf, als Trymon eintrat.
    »Ich möchte alle Berichte, die wir über die Pyramide von Tsort haben«, sagte der Zauberer. Er hatte sich vorbereitet und zog eine Banane aus der Tasche.
    Der Bibliothekar betrachtete sie traurig und sprang zu Boden. Trymon spürte, wie ihn eine weiche Hand berührte, um ihn an den Regalen entlangzuführen. Das Wesen neben ihm watschelte, wankte dabei immer wieder von einer Seite zur anderen. Dann und wann sträubte sich sein dichter Pelz.
    Um sie herum zischten die Bücher, und dann und wann stoben glitzernde Funken auf. Manchmal flammte eine Entladung purer magischer Energie über die speziellen Blitzableiter, die an den Regalen befestigt waren. Ein metallisch blauer Geruch lag in der Luft, und in der Ferne flüsterten die gräßlichen Wesenheiten aus den Kerkerdimensionen.
    Wie viele andere Teile der Unsichtbaren Universität beanspruchte die Bibliothek weitaus mehr Platz, als die äußeren Abmessungen vermuten ließen. Magie krümmt den Raum auf eine sehr seltsame Art und Weise, und wahrscheinlich war dies die einzige Bibliothek im ganzen Universum, die Möbius-Regale aufwies. Doch der tadellose geistige Katalog des Bücherhüters sorgte dafür, daß er nie die Übersicht verlor. Er verharrte vor einem schwindelerregend hohen Stapel, hangelte sich mit erstaunlichem Geschick an einem wackligen Gestell empor und verschwand in der Dunkelheit. Kurz darauf raschelte Papier, und eine dichte Staubwolke schwebte zu Trymon herab. Dann kehrte der Bibliothekar mit einem dünnen Band zurück.
    »Ugh«, sagte er.
Trymon nahm ihn vorsichtig entgegen.
    Der Deckel war brüchig und zerknittert, und nur einige kleine Partikel erinnerten an das Blattgold der Aufschrift. Trymon konzentrierte sich auf die darunter zurückgebliebenen blassen Flecken und las einige Worte in der alten magischen Sprache des Tsort-Tals: D’r Goss Teimp’l ffo Tsort – Aine Mistysch G’schikkte.
    »Ugh?« fragte der Bibliothekar diensteifrig.
    Trymon blätterte vorsichtig. In fremden Sprachen kannte er sich nicht sonderlich gut aus, sah in ihnen ein Hindernis für die Verständigung zwischen verschiedenen Kulturen. Er hielt es für besser, eine Art internationale Kommunikationsnorm zu schaffen, die auf einem logischen Zahlsystem basierte, das keinen Platz für Mißverständnisse und Fehlinterpretationen ließ. Deshalb schlug sein Herz sofort höher, als er ganze Seiten mit herrlich eindeutigen Hieroglyphen entdeckte.
    »Ist dies das einzige Buch über die Pyramide von Tsort?« fragte er langsam.
    »Ugh.«
    »Bist du ganz sicher?«
    »Ugh.«
Trymon spitze die Ohren. Vom Treppenhaus her vernahm er das Schlurfen sich langsam nähernder Schritte, begleitet von Stimmen, die gegenseitig ihre fachliche Kompetenz in Frage stellten. Der Zauberer lächelte dünn: Auch darauf war er vorbereitet.
    Erneut griff er in die Tasche.
»Möchtest du noch eine Banane?« fragte er den Bibliothekar. Der Wald von Skund war tatsächlich verzaubert, wie die meisten Dinge auf der Scheibenwelt. Außerdem gab es im Rest des Universums sicher keinen anderen Wald, der »Die Finger weg, du Blödmann!« hieß – so lautete die wörtliche Übersetzung des Wortes ›Skund‹.
    Bedauerlicherweise fand diese Art der Namensgebung eine breite Anwendung.
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