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Das Licht der Phantasie

Das Licht der Phantasie

Titel: Das Licht der Phantasie
Autoren: Terry Pratchett
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aus, und Rincewind hob den Kopf.
»Buche«, erwiderte er fest.
    »Nun, um ganz genau zu sein…« begann der Baum, brach aber ab, als er den Blick des Zauberers bemerkte.
»Seltsam: Die Früchte sehen aus wie Eicheln«, sagte der Tourist.
    »Tja, äh, es handelt sich um die sessile beziehungsweise ungestielte Abart«, meinte Rincewind. »Die Bucheckern weisen tatsächlich eine große Ähnlichkeit mit Eicheln auf. Sie führen praktisch alle hinters Licht.«
    »Donnerwetter!« entfuhr es Zweiblum. »Und der Busch dort drüben?«
    »Mistel.«
    »Aber die Dornen und roten Beeren…«
    »Na und?« entgegnete Rincewind streng und sah den Touristen scharf an. Nach einer Weile starrte Zweiblum zu Boden.
»Nichts weiter«, sagte er schüchtern. »Wahrscheinlich habe ich mich geirrt.«
    »Mit ziemlicher Sicherheit.«
    »Aber darunter wachsen einige große Pilze. Kann man sie essen?«
    Rincewind betrachtete sie vorsichtig. Sie waren in der Tat recht groß, und auf ihren breiten roten Hüten glänzten weiße Flecken. Der Zauberer wußte es natürlich nicht, aber sie gehörten zu einer Art, die der Waldschamane (der einige Meilen entfernt gerade versuchte, mit einem Felsen Freundschaft zu schließen) nur dann verspeiste, wenn er sich zuvor an einem großen und besonders schweren Stein festgebunden hatte. Schließlich seufzte Rincewind, trat in den Regen und sah sich die Pilze genauer an.
    Er kniete sich ins Laub und spähte unter einen Hut. Nach einigen Sekunden schluckte er und brummte unsicher: »Ich glaube, wir sollten sie von unserem Speisezettel streichen.«
    »Warum?« rief Zweiblum. »Sind die Lamellen nicht gelb genug?«
    »Doch, das schon.«
    »Die Stiele«, sagte der Tourist. »Ich schätze, mit den Stielen ist etwas nicht in Ordnung.«
    »Nun, eigentlich sehen sie ganz normal aus.«
    »Der Hut«, platzte es aus dem Touristen heraus. Er strahlte. »Der Hut hat die falsche Farbe.«
    »Da bin ich mir nicht ganz sicher.«
    »Na schön: Warum können wir sie nicht essen?«
Rincewind hustete. »Wegen der winzigen Türen und Fenster«, ächzte er. »Es sind keine gewöhnlichen Pilze, sondern kleine Häuser.«
     
     
    D onner grollte über die Unsichtbare Universität. Regen strömte auf die Dächer herab und gurgelte aus den Wasserspeiern. Das heißt: nicht aus allen. Zwei der schlaueren von ihnen hatten sich unter dem Durcheinander aus Schindeln in Sicherheit gebracht; sie zogen es vor, im Trocknen zu sitzen.
    Weit unten, im Großen Saal, standen die acht mächtigsten Magier der Scheibenwelt an den Spitzen eines zeremoniellen Oktagramms. Nun, die Wahrheit ist: Eigentlich waren sie gar nicht die mächtigsten, aber sie verfügten über große Erfahrungen in der Kunst des Überlebens, und angesichts der großen Konkurrenz auf dem Gebiet der Thaumaturgie lief das aufs gleiche hinaus. Hinter jedem Zauberer der achten Stufe warteten mehrere des siebten Rangs und versuchten ständig, seinen Posten einzunehmen. Ältere Beschwörer mußten, um den nächsten Geburtstag feiern zu können, einen besonderen Spürsinn entwickeln, zum Beispiel in Hinsicht auf giftige Skorpione in ihren Betten. Ein altes Sprichwort beschrieb ihre Lage recht treffend: Wenn ein Zauberer müde wird, nach Glassplittern in seinem Essen zu suchen, ist er des Lebens überdrüssig.
    Der älteste Magier, Grauhalt Spold von den Uralten und Einzig Wahren Weisen des Ungebrochenen Kreises, stützte sich schwer auf seinen dicken Stock und sprach folgende Worte:
    »Beeil dich, Wetterwachs. Mir tun die Füße weh.«
    Galder hatte nur eine dramatische Pause eingelegt, um eine angemessene Stimmung entstehen zu lassen. Er warf Grauhalt einen finsteren Blick zu.
    »Nun gut. Ich will mich kurz fassen…«
    »Dafür wäre ich dir sehr dankbar.«
    »Wir alle haben um Rat gesucht, was die Ereignisse von heute morgen betrifft. Kann irgend jemand von uns behaupten, eine Antwort auf diese Fragen gefunden zu haben?«
    Die Zauberer wechselten argwöhnische Blicke. Nur bei einer Aufsichtsratssitzung zum Zwecke der Profitverteilung herrschte ebenso großes gegenseitiges Mißtrauen wie bei der Versammlung älterer Beschwörer. Andererseits: Sie alle hatten einen anstrengenden und überaus enttäuschenden Tag hinter sich, und so etwas schlägt aufs Gemüt. Normalerweise recht informative Dämonen, die aus den Kerkerdimensionen herbeigerufen wurden, zuckten mit schuppenbesetzten oder horngepanzerten Achseln und weigerten sich hartnäckig, Auskunft zu geben. Magische Spiegel zerbrachen.
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