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Das Licht der Phantasie

Das Licht der Phantasie

Titel: Das Licht der Phantasie
Autoren: Terry Pratchett
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sinken.
    »Was denn?« fragte er verwundert.
»All die Magie!«
    »Sie glänzt nur«, erwiderte der greise Barbar kritisch. »Bisher ist es ihm noch nicht gelungen, irgendwelche Tauben aus dem Ärmel zu ziehen.«
    »Das stimmt schon«, gestand Zweiblum ein, »aber spürst du nicht die okkulte Macht?«
    Cohen zog ein großes, gelbes Streichholz aus seinem Tabaksbeutel, bedachte den reglosen Wert mit einem nachdenklichen Blick und entzündete es genüßlich an der versteinerten Nase.
    »Hör mal«, wandte er sich an den Touristen und sprach betont höflich, »was erwartest du eigentlich? Ich bin weit herumgekommen und habe viel Zauberei und so’n Kram gesehen. Vertrau meiner Erfahrung: Wenn dir dabei vor Staunen immerzu die Kinnlade runterfällt, fühlt sich irgendwann jemand eingeladen, Zielübungen darauf zu veranstalten. So etwa.« Cohen holte mehrmals mit der Faust aus, und Zweiblum klappte den Mund zu. »Außerdem: Zauberer sterben wie ganz gewöhnliche Menschen, wenn man ihnen ein Messer in die Rippen…«
    Es knallte laut, als Rincewind das Buch zuschlug. Er richtete sich auf und holte tief Luft.
    Und dann geschah folgendes:
Nichts.
Die Anwesenden brauchten eine Weile, um das zu bemerken. Sie duckten sich instinktiv, warteten auf das Blitzen von weißem Licht, vielleicht auch die Explosion eines gewaltigen Feuerballs. Cohen bildete die einzige Ausnahme: Er begegnete der Thaumaturgie nach wie vor mit einer gehörigen Portion Skepsis und rechnete bestenfalls mit einigen weißen Tauben oder einem altersschwachen Kaninchen.
    Es war nicht einmal ein besonders interessantes Nichts. Manchmal bleiben gewisse Ereignisse auf recht eindrucksvolle Art und Weise aus, doch in diesem Fall bewirkte das Nicht-Geschehen schlicht und einfach Langeweile.
    »Das ist alles?« fragte Cohen schließlich. Einige Bürger brummten enttäuscht, und mehrere Sternenleute warfen Rincewind finstere Blicke zu.
    Der Zauberer sah den greisen Barbar müde an.
»Ich glaube schon«, entgegnete er.
»Aber es ist doch überhaupt nichts passiert.«
Rincewind starrte auf das Oktav.
»Vielleicht erzeugt es einen eher zarten Effekt«, sagte er hoffnungsvoll.
    »Immerhin wissen wir gar nicht genau, worin die Auswirkung der Beschwörung bestehen soll.«
    »Das ist der Beweis!« rief ein Sternenmann triumphierend. »Magie funktioniert nicht! Es ist alles nur Illusion!«
    Ein Stein flog aus der roten Düsternis heran und traf Rincewind an der Schulter.
»Du hast völlig recht«, bestätigte jemand anders. »Schnappt ihn!«
    »Ich schlage vor, wir werfen ihn vom Turm.«
    »Gute Idee. Wir schnappen ihn uns und werfen ihn vom Turm.« Die Menge rückte vor. Zweiblum hob die Hände.
»Bestimmt ist es nur ein Mißverständnis«, begann er. Einer der Sternenleute gab dem Touristen einen Tritt. Zweiblum brach jäh ab, verlor das Gleichgewicht und fiel.
    »Ach, es geht schon wieder los!« seufzte Cohen, zertrat den Rest seiner Zigarette, zog das Schwert und sah sich nach dem Koffer um.
    Die Truhe machte keine Anstalten, ihrem Eigentümer zu Hilfe zu eilen. Sie stand vor Rincewind, der sich das Oktav wie eine Wärmflasche an die Brust preßte und langsam zu verzweifeln schien.
    Ein graugesichtiger Mann sprang auf ihn zu. Die Kiste hob drohend den Deckel.
    »Ich weiß, warum es nicht geklappt hat«, ertönte eine Stimme hinter der zornigen Menge. Cohen erhob sich auf die Zehenspitzen und erkannte Bethan.
    »Ach?« meinte einer der Bürger abfällig. »Und warum sollten wir auf dich hören?«
Einen Sekundenbruchteil später fühlte er Cohens Schwertspitze am Hals.
    »Andererseits…«, fügte der Mann hinzu und schluckte. »Vielleicht wäre es ganz angebracht, der jungen Frau Gelegenheit zu geben, einen Diskussionsbeitrag zu leisten.«
    Als sich Cohen mit erhobenem Schwert umdrehte, trat Bethan vor und deutete auf die bunten Worte der acht Zaubersprüche, die Rincewind noch immer wie mit einem Halo umgaben.
    »Dies hier kann nicht richtig sein«, sagte sie und zeigte auf einen schmutzig wirkenden braunen Fleck inmitten des strahlenden Wogens. »Bestimmt hast du es falsch ausgesprochen. Laß mich mal nachsehen!«
    Wortlos reichte ihr Rincewind das Oktav.
Sie schlug es auf und blätterte.
    »Komische Schrift«, sagte sie. »Verändert sich dauernd. He, was macht das Krokodil mit dem Kraken?«
Rincewind sah über Bethans Schulter und gab ihr gedankenlos Auskunft. Sie schwieg eine Zeitlang.
»Oh«, meinte sie dann, »ich wußte gar nicht, daß Krokodile zu so etwas in der
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