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Das Leuchten der schottischen Wälder

Das Leuchten der schottischen Wälder

Titel: Das Leuchten der schottischen Wälder
Autoren: Christa Canetta
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Gewohnheit war, dann konnte er kaum hoffen, seine Zukunft hier aufzubauen. Vielleicht hatte die Frau an seiner Seite auch ganz andere persönliche Pläne. Die Alpakaherde wurde ihr schon längst zur Belastung, auch finanziell, und dann die Praxis mit den vielen Patienten, die sie oft nicht zur Ruhe kommen ließen und Tag und Nacht ihre Bereitschaft forderten. Und dann die häufigen Telefonate mit alten Kollegen in Glasgow – vielleicht plante sie sogar eine Rückkehr in die Großstadt?
    Er musste sehr vorsichtig mit seinen Wünschen umgehen.
    „Lena, deine Gastfreundschaft ist wirklich einmalig, aber irgendwann muss ich auch wieder selbstständig werden.“
    „Du bist ein Freund, kein Gast.“
    „Danke, Lena, ich freue mich, dass du das so siehst, aber ich könnte mir vorstellen, dass du auch Pläne für deine Zukunft hast, und ich könnte mir denken, dass die etwas mit Glasgow zu tun haben. Du bist hier sehr allein.“
    „Patrick, ich bin nicht allein, ich habe doch dich.“
    Er nahm ihre Hand und strich behutsam darüber. „Wenn das so ist, dann bleibe ich gern. Ich hätte dann sogar eine Idee für eine gemeinsame Zukunft.“
    „Lass hören.“
    „Ich würde gern die Alpakazucht übernehmen. Tom will zurück zu seiner Familie, ich habe viel von ihm gelernt, und die Arbeit würde mir Spaß machen.“
    „Das wäre ja wunderbar.“ Lena sah ihn strahlend an. „Das ist die beste Idee, die ich mir vorstellen kann.“
    Patrick schwieg eine Weile, schließlich sagte er leise und nachdenklich: „Weißt du, Lena, ich bin kein Mensch, der von Emotionen überwältigt wird. Aber dieser Unfall mit dem Feuer hat mich an den Rand meiner Kräfte gebracht. Zum ersten Mal ist mir deutlich geworden, was für ein isolierter, einsamer Mensch ich im Grunde bin. Durch meine Schuld natürlich, denn ich habe immer die Einsamkeit und die Isolation gesucht. Und ich habe nie gelernt, mit Gefühlen umzugehen. In den vergangenen Wochen ist mir klar geworden, wie dumm das von mir war. Ich habe eine Familie, aber sie rangiert nur am Rande meines Bewusstseins, ich hatte einen Beruf, eine Arbeit, die mir Spaß machte, aber ich habe sie nicht genutzt, um Kontakte zu schließen oder um Freundschaften zu knüpfen, und nun stelle ich fest, da ist niemand, der wirklich zu mir gehört – niemand außer dir. Lena, ich würde sehr gern bei dir bleiben.“
    Lena schwieg betroffen. So ein Geständnis hatte sie von dem introvertierten, verschlossenen Mann nicht erwartet. Sie fühlte mit ihm und ahnte, wie schwer ihm diese offenen Worte gefallen sein mussten. Er, der angehende Earl von Archestown, ganz gleich, ob er es sein wollte oder nicht, hatte Fehler und Irrtümer zugegeben, die ihn selbst zutiefst betroffen machten.
    Sie nahm seine Hand und strich behutsam über die Narben, die sie bedeckten. „Ich wünsche mir schon lange so eine starke Hand an meiner Seite. Und ein Mann, der seine Gefühle wie Seifenblasen vor sich her auf den Lippen trägt, ist mir zuwider. Ich mag dich, Patrick, so wie du bist.“
    Sie konnte den Glanz in seinen Augen in der Dunkelheit nicht sehen, aber sie fühlte die Freude, die ihn erfüllte, als er seinen Arm um ihre Schulter legte, sie an sich zog und ihre Lippen berührte, zuerst mit den Fingerspitzen und dann mit seinem Mund. Und plötzlich erwachte die Nacht zu einem zärtlichen Leben, in dem die kleinen goldenen Espenblätter unsichtbar im Windhauch wogten, Grillen zirpten und eine Nachtigall ihr Liedchen trällerte. Lange saßen Lena und Patrick Arm in Arm auf der nächtlichen Bank im Garten und genossen das Zusammensein. Frieden und Harmonie waren im Arzthaus eingekehrt.
    Ein Frieden, der am nächsten Morgen durch den Postboten jäh zerstört wurde. Patricks Mutter hatte ein Telegramm geschickt:
    Erwarte deine sofortige Rückkehr. Vater mit Herzinfarkt im Hospital. Dein Verschulden.
    Mutter
    Und da war sie wieder, die Verschlossenheit, die Isolation, die Verbitterung, die Einsamkeit. Aber Lena machte da nicht mit. Sie setzte sich zu ihm und erklärte: „Wir werden hinfahren, Patrick. Wir werden uns nicht mit Schuld beladen lassen. Du musst ein für alle Mal deine Zukunft und deine Pläne offenlegen, und wenn sie nicht akzeptiert werden, dann musst du es auf eine endgültige Trennung ankommen lassen. Schweigen hilft uns nicht weiter. Wir fahren gemeinsam nach Archestown, und wir treten gemeinsam auf.“
    „Verdammt noch mal, warum lassen sie mich nicht in Ruhe, warum mischen sie sich in mein Leben ein, warum
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