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Das letzte Hemd

Das letzte Hemd

Titel: Das letzte Hemd
Autoren: Kirsten Puettjer , Volker Bleeck
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Adresse des Luisenhofs bereits
verschickt, das lässt sich also nur schwer ändern. Es sei denn natürlich, dein
Vater besteht darauf, dass wir die Hochzeit hier feiern …«
    Der Konflikt, in dem Rosenmair jetzt steckte, war fast mit Händen zu
greifen. Natürlich wollte er nicht, dass die Hochzeit hier gefeiert wurde, die
Art und Weise, wie Philipp Lindner mit seiner Tochter umging, mochte er aber
noch weniger. Schließlich war es Ann-Britt, die der Situation die Schärfe und
Rosenmair die Kaffeekanne aus der Hand nahm und erst mal Kaffee und Kuchen
verteilte. Man müsse das ja eigentlich gar nicht jetzt entscheiden. Vielleicht
wäre es sogar besser, erst im Herbst, also nach der Wahl, zu heiraten, außerdem
dränge sie doch niemand. Dass sich Philipp bei diesen Worten an seinem Kaffee
verschluckte, ignorierte sie. Rosenmair wurde sofort klar, was dahintersteckte:
dass Philipp nämlich aus taktischen Gründen unbedingt noch vor der Wahl heiraten
wollte. An Ann-Britts leisem Lächeln sah er, dass sie das ebenfalls wusste und
es Philipp nur nicht zu einfach machen wollte.
    Während sie sich einen großen Löffel Sahne auf den Kuchen klatschte,
bemerkte sie süffisant: »Als zukünftige Politikergattin muss ich mich wohl
daran gewöhnen zurückzustecken. Bis zur Wahl ist es nicht mehr lang hin. Ich
bin ja schon froh, dass wir die Einladungen noch per Post verschicken konnten
und nicht per SMS .«
    Der nächste Konflikt ließ nicht lange auf sich warten, denn Philipp
Lindner begann eine zunächst harmlose Diskussion über Kaffee und dessen
Zubereitung. Dass Rosenmair immer noch von Hand aufgoss, bezeichnete er als
»retro« und »charmant«, ließ aber durchblicken, dass »altmodisch« und
»antiquiert« zweifelsohne die eigentlichen Vokabeln waren, die ihm auf der
Zunge lagen. Als er dann ein Loblied auf seine diversen Kapsel-, Pad- oder
Was-auch-immer-Kaffeeautomaten anstimmte, reichte es Rosenmair.
    »Ach so, es geht um die Dosierung? Ist der Kaffeetrinker schon so
degeneriert, dass er keinen Messlöffel mehr benutzen kann? Das Einzige, mein
lieber Philipp, was mit diesen Kapseln richtig dosiert wird, ist die
Gewinnmaximierung der Kaffeeindustrie. Und alle Welt findet es so praktisch, so
einfach! Es ist ja auch herrlich, wie viel Sondermüll da produziert wird. Und
wie viel Energie dabei draufgeht. Der größte Hohn aber ist: Der Kaffee schmeckt
nicht mal! Wenn man einen guten Espresso trinken will, muss man ins Café gehen,
und ansonsten trinkt man Filterkaffee, basta.«
    Philipp Lindner hatte während Rosenmairs Schimpftirade immer wieder
verstohlen auf sein Blackberry geblickt, wahrscheinlich erhoffte er sich
Argumentationshilfe aus dem World Wide Web.
    Doch dann starrte er plötzlich mit offenem Mund auf den kleinen
Bildschirm. Rosenmair befürchtete schon, dass die Schweizer Kaffeemafia ihm das
Abo für die exklusiven Espressokapseln entzogen hatte, da lehnte Philipp sich
zu Ann-Britt rüber und flüsterte ihr etwas ins Ohr.
    Sie sah ihn erschrocken an und meinte: »Echt? Wie das? Was ist denn
passiert?«
    Philipp Lindner antwortete nicht, er war bereits aufgestanden und
Richtung Tür gegangen, den Blick auf sein Blackberry gerichtet. Rosenmair sah
seine Tochter fragend an.
    Ann-Britt stand ebenfalls auf und raunte ihm zu: »Man hat einen Parteifreund
von Philipp in einem Hotelzimmer gefunden, niedergeschlagen.«
    Bevor Rosenmair antworten konnte, dass es vor Entscheidungswahlen
nun wirklich nichts Besonderes war, wenn Politiker niedergeschlagen waren, war
sie auch schon aus der Tür. Nun gut, dann konnte er sich die zynische Frage
nach der Badewanne sparen. Immerhin war dies weder die richtige Zeit noch der
richtige Ort. Und vor allem: die falsche Partei.

ZWEI
    Rosenmair suchte seine Manschettenknöpfe. Dass nur er
selbst sie verschusselt haben konnte, nervte ihn dabei fast noch mehr als die
Tatsache, dass sie nicht aufzufinden waren. Vielleicht lag es aber auch an dem
schlimmen Wein, den er gestern Abend noch getrunken hatte. Der potenzielle
Hochzeitswein, Ann-Britts Mitbringsel, war grundsätzlich keine gute Wahl
gewesen. Eines stand für Rosenmair jetzt schon fest: Er würde den Wein für die
Hochzeit über seinen Freund J.P. besorgen. Dann
wusste er wenigstens, wovon er – hoffentlich – sehr betrunken sein würde.
Ann-Britt hatte er dies per SMS schon
unmissverständlich mitgeteilt.
    Die Manschettenknöpfe. Frau Kolbich, seine Putzfrau, die sich jetzt
schon seit einiger Zeit der äußerst diffizilen
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