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Das letzte Evangelium: Historischer Roman (German Edition)

Das letzte Evangelium: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Das letzte Evangelium: Historischer Roman (German Edition)
Autoren: Barbara Goldstein
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Weder der katalanische, noch der italienische.«
    »¡Por Dios!«, flüstert er. »Das sollte er aber. Rodrigo Borgia ist dein Cousin.«
    Ich schüttele den Kopf. Ich kann mich nicht an Rodrigo erinnern. Er ist dreiundzwanzig. Und ich?
    »Galcerán war mein bester Freund«, sagt Gil traurig und fährt sich mit beiden Händen über das Gesicht. »Weißt du denn, wer ich bin?«
    Ich beiße mir auf die Unterlippe. Was soll ich antworten? Wenn ich zugebe, dass ich den Namen kenne, den er jetzt trägt, könnte ich ihm verraten, dass ich ihn und seine Freunde vorhin gehört habe. Und wenn ich ihm gestehe, dass ich alles, mein ganzes Leben, vergessen habe? Die Folgen kann ich nicht absehen …
    Wer ist er? Woher kenne ich ihn? Warum will er mich töten?
    Gil beobachtet mich aufmerksam. Seine Schultern sind hochgezogen, die Falte auf seiner Stirn hat sich noch tiefer eingegraben. Er wirkt angespannt. »Du erinnerst dich nicht an mich.«
    »Nein«, hauche ich so leise, dass ich mich selbst kaum verstehen kann.
    Enttäuscht … nein, traurig senkt er den Blick, und seine Gefühle, gespielt oder ehrlich empfunden, versetzen mir einen Stich ins Herz. Er birgt sein Gesicht in den Händen, als spräche er ein muslimisches Gebet. Dann sieht er wieder auf, nimmt meine Hand und spielt mit einem Ring an meinem Finger. Es ist ein Saphirring, der mir seltsam vertraut erscheint.
    »Ich bin Gil Alvarez«, sagt er mit fester Stimme und sieht mir dabei in die Augen. »Dein Ehemann.«

Kapitel 5
    In der Zelle des Abtes
21. Dezember 1453
Viertel nach elf Uhr morgens
    Ich schlucke trocken. »Mein … Ehemann?«
    Ist Gil der mit Blut und Ruß verschmierte Mann, den ich eben in meiner Erinnerung an die Schlacht gesehen habe? Ich betrachte sein Gesicht, und er weicht meinem Blick nicht mehr aus, während er in die Tasche seiner Jacke greift und einen goldenen Ring mit einem funkelnden Rubin hervorzieht.
    Wieso trägt er den Ring nicht am Finger?
    Als ich nichts weiter sage, liest er mir auf Arabisch den eingravierten Text vor: »›Leg mich wie ein Siegel an dein Herz! Denn stark wie der Tod ist die Liebe, wie die Feuergluten der Hölle ihre Leidenschaft. Nichts vermag ihr Lodern auszulöschen.‹ König Salomos Lied der Liebe. Und weißt du noch, wie die nächsten Verse lauten? ›Mächtige Wasser können sie nicht löschen, und Ströme schwemmen sie nicht fort. Doch wenn einer alles für sie geben wollte, würde man ihn nur verachten.‹«
    »Es tut mir leid, ich … ich erinnere mich nicht an dich …«, stammele ich mit erstickter Stimme. »Ich meine … ich empfinde nichts … O Gott, es tut mir wirklich leid …«
    »Wir sind verheiratet, mi corazón, du musst dich erinnern.« Gil wirkt traurig, hoffnungslos. »Der Kaiser war unser Trauzeuge.«
    Glockenläuten und Kanonendonner.
    In meinem Kopf dreht sich alles. Als die wirbelnden Bilder endlich stehen bleiben, sehe ich die Hochzeit in der gewaltigen Kirche vor mir, in der in einer Stunde die Totenmesse für ein sterbendes Weltreich gehalten werden soll. Gil nimmt meine Hand und steckt mir den Ring an den Finger.
    Auf dem aus grünem, rotem und schwarzem Marmor gearbeiteten Ornament zu meinen Füßen steht seit Jahrhunderten der Kaiserthron. Dessen weißer Marmor schimmert im warmen Licht der Kerzen und im goldenen Schein der untergehenden Sonne. Über mir funkelt das goldene Mosaik Jesu Christi.
    Am Altar hebt der Kardinal in goldbesticktem Messgewand die Hand. Auf Lateinisch und Griechisch segnet der Gesandte des Papstes die Ehe. Vielleicht ist sie die letzte, die in der belagerten Stadt geschlossen wird …
    Neben mir steht Konstantin – ohne Perlendiadem und ohne Schwert. Das Blut, das über sein Gesicht rann, als er vor einer Stunde aus der Schlacht zurückkehrte, hat er abgewaschen. Er sieht müde aus, erschöpft, abgekämpft. Wie wir alle. Aber er ist gekommen.
    »Ihr dürft die Braut küssen.« Der Kardinal lächelt matt. Er weiß genau, dass wir seit Jahren, seit meiner Rückkehr aus Granada, miteinander schlafen.
    Konstantin ist schneller als mein Gemahl, der immer noch meine Hand hält. Er umarmt mich herzlich und küsst mich auf beide Wangen. »Er hat mehr Glück als ich. Er bekommt dich, nicht ich.«
    »Ich liebe ihn. Und er liebt mich.«
    Er nickt. »Eine große Liebe. Größer als das ganze Byzantinische Reich.«
    »Ich will nicht Kaiserin werden, Konstantin. Nicht mit und nicht ohne Mehmed vor den Toren.«
    Er atmet langsam aus und nickt traurig. Dann reicht er meinem
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