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Das letzte Evangelium: Historischer Roman (German Edition)

Das letzte Evangelium: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Das letzte Evangelium: Historischer Roman (German Edition)
Autoren: Barbara Goldstein
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Hostie.«
    Adrian stöhnt auf.
    »An diesem Tag, einundzwanzig Tage vor der Eroberung der Stadt, gab er den Befehl, sie gefangen zu nehmen und zu ihm zu bringen. Er wollte zusehen, wenn sie hingerichtet wird. Er wusste, wer sie ist.«
    Du warst also auch dort, Gil? Das ist ja interessant. Fast so spannend wie die Frage, wer eigentlich Mehmed ist.
    »Dio mio!« Der Stoff von Adrians Habit raschelt. Er bekreuzigt sich.
    »Ich hatte euch vor ihr gewarnt«, sagt Gil ernst. »Sie ist gefährlich. Und sie kennt keine Skrupel.«
    Erschöpft liege ich in meinem Grab und versuche, meinen rasenden Herzschlag zu beruhigen.
    »Los jetzt, die Grabplatte!«, befiehlt Gil.
    Ächzend heben die drei Fratres die schwere Steinplatte an, die offenbar vor der Grabnische lehnte, und wuchten sie vor die Öffnung. Ich schreie auf vor Schmerz, als meine Finger eingequetscht werden.
    Rasch ziehe ich die Hand zurück, als die Marmorplatte mit einem lauten Rumpeln eingesetzt wird – meine Finger brechen nicht!
    Aber das Grab ist jetzt geschlossen.
    Mit aller Kraft stemme ich die linke Hand von innen gegen die Platte. Sie bewegt sich nicht.
    Langsam balle ich meine Hand zur Faust und schlage dagegen.
    Zu schwach, zu leise.
    Noch einmal, stärker!
    Ich halte den Atem an und lausche in die Stille meines Grabes.
    Kein Geschrei. Sie haben mich nicht gehört.
    Noch einmal!
    Nichts.
    Noch einmal!
    Wieder nichts.
    Es hat keinen Sinn.
    Mein Herz krampft sich schmerzhaft zusammen. Und ich ringe mit den Tränen.
    Das ist also das Ende.
    Was für ein erschreckendes Gefühl, wenn dein Leben erst vor einer Stunde begonnen hat. Wenn du dich an nichts erinnern kannst, was vor deinem Erwachen war.
    Aber das ist nichts im Vergleich zu dem Gefühl, dass mein Leben in einer Stunde schon wieder zu Ende sein wird – sobald die Luft in meiner engen Grabkammer aufgebraucht ist. Mein Atem weht mir ins Gesicht.
    Tränen brennen hinter meinen Lidern. Ein Schluchzen entringt sich meiner Kehle, ein verzweifelter Aufschrei angesichts des nahen Todes. Als schließlich die Anspannung von mir abfällt, weine ich mit zuckenden Schultern.
    Ich schaffe es, meine Augen zu öffnen.
    Kein Licht. Nur Finsternis um mich herum.
    Lebendig begraben!
    Ich will schreien, meine ganze Hoffnungslosigkeit und meine Schmerzen hinausschreien!
    »Ich lebe! Ich bin wach! Holt mich hier raus!«
    Doch kommt überhaupt ein Laut über meine Lippen? Niemand kann mein Weinen hören …
    Plötzlich erbebt die schwere Marmorplatte unter einem wuchtigen Hieb.
    Ich erstarre.
    Mit einem Krachen folgt der nächste Schlag. Dann ertönt ein unerträglich lautes Knirschen. Es schwingt durch meinen ganzen Körper, das Sirren in meinen Ohren wird immer lauter.
    Ich ziehe mich in mich selbst zurück und versinke wieder im finsteren Abgrund des Vergessens, der so schön war und friedlich und still war. Ohne das Dröhnen von Kirchenglocken, die Sturm läuten, ohne den explosionsartigen Donner von Kanonen, ohne das Getöse einstürzender Mauern und ohne knirschende Marmorplatten, die mein Grab versiegeln.

Kapitel 4
    In der Zelle des Abtes
21. Dezember 1453
Kurz nach elf Uhr morgens
    »… zwischen Leben und Tod.«
    Wer sagt das? Ich öffne die Augen. Wer schwebt zwischen Leben und Tod? Ich? O nein, ich lebe! Ich habe Schmerzen, also lebe ich!
    »Sie hat die Augen geöffnet!«
    Verwirrt starre ich zum Himmel. Schwarze Rauchwolken flackern im Schein lodernder Feuer. Der Gestank von heißem Pech dringt mir in die Nase.
    Wann bin ich verwundet worden? Und wie?
    »Haltet durch, Euer Gnaden!«, schreit mich jemand an, den ich nicht sehen kann, weil er hinter mir steht. Arme packen mich grob an Schultern und Knien und heben mich auf eine Trage an der Mauerbrüstung. Dann liege ich in meinem Blut, das unter meinem blutglänzenden Harnisch hervorrinnt. Zwei meiner Bravi tragen mich im Laufschritt zur Treppe. »Ihr seid schwer verletzt, Euer Gnaden. Ein Steinsplitter ist Euch in die Schulter gedrungen. Wir liegen immer noch unter schwerem Feuer. Es wird immer schlimmer. Federico Tannhäuser und ich – wir bringen Euch von hier weg«, keucht der Bravo. Als ich den Kopf zurücklege, sehe ich, dass der Schweiß ihm über das Gesicht rinnt.
    Wo bin ich?
    Ich sehe mich um. Eine Festungsmauer. Glockenläuten und Kanonendonner, Geschrei, Leichen, Feuer, Rauch, Blut. Eine Schlacht. Wie lange dauert sie schon? Welchen Tag haben wir?
    Gedanken wirbeln durch meinen Kopf. ›Und ich sah, als das Lamm das vierte von den sieben Siegeln
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