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Das Leben meiner Mutter (German Edition)

Das Leben meiner Mutter (German Edition)

Titel: Das Leben meiner Mutter (German Edition)
Autoren: Oskar Maria Graf
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ist denn jetzt das?« fing der zu raunzen an, musterte seine Pfeife genauer, merkte, daß sie und daß seine Hände naß waren, schaute forschend auf den Platz, auf dem sie gelegen hatte, und rückte ein wenig zur Seite, indem er murrte: »Hm, alles ist patschnaß da, hm! Wo mag denn jetzt das herkommen?« Eine kleine Wasserlache glänzte auf dem Boden. Die Herumsitzenden hatten zu kauen aufgehört und würgten ihr Lachen hinunter. Der Hans glotzte immer noch auf die Wasserlache, schüttelte den Kopf, überlegte, roch an seinem Tabak und an seinen Händen und knurrte kurz. Da konnten die anderen sich nicht mehr zurückhalten und lachten gleicherzeit hellauf.
    »Wa-was ist’s denn?« fragte der erstaunte Hans, hob das Gesicht und musterte die Runde leicht verärgert, »warum lacht ihr denn so saudumm?«
    »No?« rief der erste Knecht übermütig und lachte den Hans dreist an: »No? Wie raucht er sich denn heut’, dein Tabak, Hans? … Muß doch einen besondern Geschmack haben? Er hat doch eine Jungfrauntauf’ kriegt!« Da wurde das Gelächter der Herumsitzenden zu einem Bellen. Jeder schüttelte sich, und der Hans, der nun endlich begriffen hatte, bekam eine recht blamierte Miene, wußte nicht gleich, wie er sich verhalten sollte, spuckte und spuckte und fing endlich selber zu grinsen an. Prasselnd überschüttete ihn eine Lachwelle um die andere.
    »Hundsbande, windige!« brummte er und lachte schließlich halbwegs. »Malefizlumpen, elendige! Nichts als Dummheiten fallen euch ein!« Jeden und jede blickte er ratend an und sagte zum Schluß gutmütig polternd zur Resl, der vor Gelächter die Tränen über die braunen Backen rannen: »Das hast du wieder gemacht, Lausmadl! Wart, wart! Die Bäuerin wird dir die Leviten schon lesen!« Er wußte genau, daß er damit bei der Heimrathin kaum etwas auszurichten imstande war, denn niemand haßte dieses fortwährende stinkende Paffen so wie sie. Er hatte es auch gar nicht ernst gemeint. Die Resl jedenfalls verschluckte sich in diesem Augenblick und spie ihr ganzes zerkautes Brot in großem, auseinanderspritzenden Bogen aus sich heraus. Sie schien fast zu platzen, so ausgelassen lachte sie. Ihr Atem kam nicht mehr nach.
    Der Hans trug ihr nichts nach. Er räumte nur in aller Eile seine Pfeife aus, wischte sie an die durchschwitzten Hosen, nahm ein Bündel Gras, trocknete das Innere des porzellanenen Pfeifenkopfes und füllte ihn neu. Er kam aber nur noch zu etlichen behaglichen Zügen. Von da ab steckte er vorsichtshalber seine Pfeife stets in den Hosensack.
    Diese Geschichte erzählten die Leute im weiten Gau stets unter großem Gelächter, wenn die Rede auf die Heimrath-Resl kam, und sie lebte noch lange, lange fort. Jeder Mensch freute sich arglos über das »lustige Luder« unter den Aufhauser Töchtern, und es war bezeichnend für sie und ihre ganze Art, daß die Resl noch im hohen Alter, wenn sie eine geruhige Stunde hatte, den lustigen Streich stets mit der derbsten Eindringlichkeit und ungemein vergnügt zum besten gab. Der »schwarze Peter«, den der Stellmacher Graf einmal mit drei neuen Heurechen nach Aufhausen schickte, erfuhr als einer der ersten davon. Dröhnend lachte er darüber. Er lachte noch immer, als er in die Berger Stellmacherwerkstatt zurückgekehrt war. »Diable! Diable! Respekt!« schloß er seinen Bericht belustigt, schnalzte mit der Zunge und rühmte die Keckheit der Resl. »Respekt! Schon als Schulmädl kommt sie auf so brillante Ideen! Die kann was werden! Mit siebzehn, achtzehn Jahren hätt’ so eine gewitzte Weibsperson zu meiner Zeit schon zur Marketenderin avancieren können!«
    Er übersah ganz und gar, daß sein Neffe, der Stellmacher, kaum das Gesicht verzogen hatte und einen Brief in der Hand hielt, dessen Inhalt ihn allem Anschein nach sehr ernsthaft beschäftigte. Der Andreas, der zufällig zu Besuch da war und auf einem Haufen unbearbeiteter Rechenstiele hockte, lachte auch nur halbwegs und brummte: »Wenn nur einer recht saftige Dummheiten macht, das freut dich! Weiter geniert dich überhaupt nichts!«
    Den Peter ärgerte die Humorlosigkeit der beiden Neffen, und er fragte polternd: »Warum, ihr bocksteifen Holzköpfe? Was gibt’s denn schon wieder! Hat wieder einmal eine Nummer nicht gezogen?« Seit nämlich der Stellmacher gegen sein hoffnungsloses Elend so zäh und vergeblich ankämpfte, spielte er in der Lotterie. Wie alle Menschen in seiner Lage glaubte er nur noch an eine Rettung aus all dem Jammer durch ein jähes Glück,
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