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Das Leben kommt immer dazwischen: Stationen einer Reise

Das Leben kommt immer dazwischen: Stationen einer Reise

Titel: Das Leben kommt immer dazwischen: Stationen einer Reise
Autoren: Auma Obama
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meines beruflichen Gesprächs mit einer in New York lebenden Freundin verbringen sollen. Jetzt aber waren unsere Pläne durcheinandergeraten, und aus diesem Arrangement würde vermutlich nichts werden.
    »Es kann sein, dass du während meines Meetings bei mir bist«, erklärte ich Akinyi auf Luo. Sie hob den Blick von ihrem Nintendo.
    »Ist gut«, meinte sie gelassen.
    »Du darfst mich aber auf keinen Fall unterbrechen, wenn ich mit der Dame spreche«, fuhr ich eindringlich fort.
    Ich hatte Sorge, dass Akinyi, die es als Einzelkind gewohnt war, eine Menge Aufmerksamkeit zu bekommen und oft in Unterhaltungen hineinplatzte, dies auch bei der bevorstehenden Unterredung tun würde. Ihr kleines ernstes Gesicht schaute zu mir hoch.
    »Das weiß ich, Mum.« Lächelnd fügte sie hinzu: »Alles wird gut gehen.«
    Mit ihren neun Jahren strahlte meine Tochter eine beneidenswerte Gelassenheit aus. Sie ist so ganz anders als ich, dachte ich. Während ich mich immer schnell aufrege und wegen jeder Kleinigkeit beunruhigt bin, lässt sie sich nur selten aus der Ruhe bringen. Schon als Vierjährige reagierte sie auf stressige Situationen eher gelassen, ja, geradezu weise. »Macht doch nichts, Mama« – das sagte sie mir oft und brachte mir so bei, alles mit etwas mehr Ruhe anzugehen.
    »Ich hab ja meinen Nintendo«, meinte Akinyi noch, während wir auf dem Weg nach New York waren. Sie wedelte mit dem kleinen rosa Ding, das mir in diesem Moment wie ein Rettungsring erschien. Ich nahm sie in die Arme und drückte sie fest.
    »Mum! Stop it!«
     
    Trotz des ungeplanten Umwegs kam es am Kennedy Airport zu einem erfolgreichen und vielversprechenden Gespräch, das die Weichen für unsere Zukunft stellte. Ich erfuhr, dass CARE im Begriff war, ein neues Programm auf die Beine zu stellen. Mit der geplanten »Sport for Social Change Initiative« sollte ein neuer Ansatz in der Arbeit mit Kindern und Jugendlichen in Entwicklungsländern realisiert werden. Das Ziel bestand darin, Mädchen und Jungen auf dem Weg über den Sport in den Bereichen Gesundheit, Ausbildung, Leadership, Arbeit und Freizeitbeschäftigung einzubinden. Die Mitwirkung bei einem Programm, bei dem es nicht nur darum ging, benachteiligten Kindern ein besseres Leben zu ermöglichen, sondern auch deren aktive Mitarbeit zu fordern – diese stand nämlich im Mittelpunkt –, war genau das, was ich suchte. Dass es von Kenia aus für ganz Ostafrika koordiniert werden sollte, machte das Angebot außerordentlich interessant.
    Ich blieb noch eine Woche an der Ostküste, um meine ausgemachten Termine wahrzunehmen. Einzig UNICEF hatte unmittelbar mit Kindern und Jugendlichen zu tun, doch gab es in dieser Organisation – wie auch bei den anderen NGO s – keine geeignete Stelle für mich. So zögerte ich denn auch keinen Augenblick, als CARE mir die Stelle als Koordinatorin der »East African Sport for Social Change Initiative« ( SSCI ) anbot.
     
    Gerade saß ich mit meiner Freundin Vicky zusammen, die früher oft auf Akinyi aufgepasst hatte, als sie noch ein Baby war. Ich erzählte bei einem Glas Wein von meinen Erlebnissen in New York, als das Telefon klingelte. Instinktiv wusste ich, wer am Apparat war. Kein anderer rief mich so spät am Abend an. Alle Vernunft beiseiteschiebend, nahm ich ab. Und horchte nur.
    »Marvin hier.« Also hatte ich richtig geraten.
    »Ich dachte, es wäre alles vorbei«, sagte ich matt, doch bereit, sofort wieder aufzulegen.
    »Nein. Warte!«
    »Wozu denn? Ich habe dir wirklich nichts mehr zu sagen.«
    »Warum hast du mir dann den Brief geschrieben?«
    Marvin sprach von einem sechsseitigen Schreiben, das ich verfasst hatte, nachdem Monika bei ihm angerufen hatte. Es war als Abschied gedacht, darin erklärte ich ihm, wie es mir in den Jahren mit ihm ergangen war. Er sollte aber auch wissen, dass ich es ihm nicht übel nahm, dass er mich nicht lieben konnte. Und er sollte wissen, dass ich es keineswegs bereute, ihn so intensiv and absolut geliebt zu haben. Nur so gelang es mir, ihn loszulassen.
    »Drei Monate habe ich deinen Brief mit mir herumgetragen«, hörte ich seine Stimme am anderen Ende der Leitung sagen. »Beim ersten Lesen war ich nur sauer auf dich. Dein Ton hat mich verärgert. Aber dann habe ich ihn wieder gelesen – und verstanden.« Er schwieg einen Moment. Auch ich sagte nichts. Ich konnte nichts sagen.
    »Ich verstand, was du sagen wolltest«, fuhr er fort. »Ich konnte diesmal zwischen den Zeilen lesen.«
    »Das hat aber lange gedauert«,
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