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Das Leben der Eltern ist das Buch, in dem die Kinder lesen

Das Leben der Eltern ist das Buch, in dem die Kinder lesen

Titel: Das Leben der Eltern ist das Buch, in dem die Kinder lesen
Autoren: Gisela Rudolf
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liegen bei ihm im Mamapapabett, und ich rüttle an ihm herum, bis er verspricht, am nächsten Sonntag weiterzuerzählen. Mama hat für Anton einen Kuchen gebacken. Weil er alle Kerzen aufs Mal ausblasen kann, darf er sich etwas wünschen.
    »Verrätst du mir, was du dir gewünscht hast?«
    »Das darf Anton niemand sagen, sonst geht der Wunsch nicht in Erfüllung.« Mama schaut zu Anton und hält ihren Zeigefinger an die Lippen.
    »Wie könnt ihr denn Antons Wunsch erfüllen, wenn ihr nicht wisst, was er will?«
    »Weil es etwas Immaterielles sein muss …«
    »Was ist das?«
    »Das ist etwas, das man nicht sieht und nicht in die Hand nehmen kann, eben etwas ohne Material …«
    »Aber dann ist es doch nichts?«
    »Wenn du jetzt nicht endlich zu essen beginnst, kommen wir noch zu spät nach Basel!«
    »Anton isst auch nicht, der packt bloß seine Geschenke aus.«
    »Ist ja auch mein Geburtstag!«
    »Zu meinem Geburtstag wünsche ich mir sicher nicht so etwas Blödes wie du!«
    »Du weißt gar nicht, was …«
    »Um Gotteswillen, fangt nicht wieder zu streiten an!«
    Konrad ist noch zu klein fürs Theater, Gertrud wird ihn hüten. Sie wohnt mit ihren Eltern auf einem Bauernhof. Neben dem Miststock ist ein Fuhrwerk, auf dem zwei riesige Milchkannen stehen, ich und Anton könnten uns glatt darin verstecken. Koni lacht, als Gertrud ihn in die Arme nimmt. »So ein glückliches Kind«, sagt Mama.
    Papa kommt nicht mit ins Kasperletheater. Für die Pause hat Mama eine Tafel Schokolade dabei. Ich bin zu aufgeregt, um etwas zu essen.
    Wir holen Papa im Restaurant ab. Er sitzt noch immer bei Onkel Hardi und entdeckt uns erst, nachdem ich ihn am Hinterkopf gekitzelt habe. »Setzt euch und trinkt etwas!«
    Wir können überhaupt nichts von
Max und Moritz
erzählen, immer redet nur dieser Freund von Papa, sein Gesicht ist vom Reden schon ganz verschwitzt. »Nun kommt ein Witz aus der unteren Schublade, Kinder, hört weg!«
    Er lacht auf Vorschuss und hält dabei wieder seine Hand auf Mamas Arm. Ich komme nicht nach, was der erzählt. Nachdem ich meinen Sirup ausgetrunken habe, gehe ich unter dem Tisch durch und setze mich zwischen Mama und Onkel Hardi. Als ob er selber dabei gewesen wäre, schildert Papa jetzt, wie Onkel Arthur mit dem neuen Auto in die Mauer geknallt ist. Und Onkel Hardi erzählt, wie er mit seinem Porsche auf dem Dach gelandet ist. Unverletzt ist er ausgestiegen, ist hinter Büschen zur Straße hochgekraxelt, hat sich unter die Gaffer gemischt und zu einem ältlichen Zaungast gesagt: »Der ist bestimmt mausetot.« Onkel Hardi plustert die Wangen auf: »Und wisst ihr, was der zu mir sagt? Das sei Gottes gerechte Strafe für so einen verdammten Raser.«
    »Da hast du ja mal wieder ein gottloses Schwein gehabt«, lacht Papa begeistert. »Kauf dir doch ’ne Vespa, etwas Fahrbares auf zwei Rädern tut’s längstens für dich!«
    Als das Fräulein kassieren kommt, machen die Großen endlich eine Redepause.
    »Was ist eine untere Schublade?«
    »Darin sind Dinge …«
    Mama schneidet Onkel Hardi das Wort ab: »… die dich überhaupt nicht interessieren.«
    Es hat zu regnen angefangen, und niemand hat einen Schirm mit. Zurück zum Parkplatz rennen wir.
    Mama mahnt Papa, langsam zu fahren, »denk an die Reifen, wir sollten sie längst gewechselt haben.« Trotzdem drückt Papa zu unserer Freude tüchtig aufs Gas.
    »Halt, halt! Siehst du denn den Bahnübergang nicht?!«
    Während Papa noch erklärt, es hätte gereicht, haben sich die Barrieren geschlossen. Er wendet sich nach hinten zu Anton und mir: »Ich will euch jetzt mal einen Witz aus der unteren Schublade erzählen.«
    »Her doch üf, dü hesch z viel trunkä!«
    »Äch wa!«
    Papa lässt sich von Mama nicht abhalten. »Ein Graf kommt von der Jagd heim und sieht, dass seine Frau mit einem anderen Mann im Bett ist. Er befiehlt seinem Diener, ihm sofort das Gewehr zu holen, damit er den Liebhaber erschießen kann. Der Diener aber wehrt sich mit den Worten: Herr Graf, als guter Jäger sollten Sie wissen, dass während der Paarung Schonzeit herrscht.«
    »Lass mich heimfahren«, sagt Mama.
    Papa steigt aus, geht vorne durchs Scheinwerferlicht unseres Autos und steigt auf meiner Seite wieder ein. Er gibt Mama einen Schubs, da sie noch nicht ganz rübergerutscht ist. Hinter uns hupt jemand.
    »Fahr schon!«
    »Ich finde den Zündschlüssel nicht!«
    Als Mama ihn findet und umdreht, heult der Motor auf.
    »Bist du bei diesem Jägerwitz nachgekommen?«
    Anton schläft
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