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Das Land zwischen den Meeren

Das Land zwischen den Meeren

Titel: Das Land zwischen den Meeren
Autoren: Anna Paredes
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zu. Aber vielleicht war es auch ein anderer gewesen, jemand, der wie ihr Schwiegervater die Ansicht vertrat, jeder Einsatz für diese Mädchen sei sinnlos und somit überflüssig.
    »Das wirft uns um mehrere Wochen zurück. Wir können nichts mehr auf dem Markt verkaufen. Neues zum Brennen haben wir auch nicht. Ach was, wir können gar nicht mehr brennen!«, klagte Raura und brach in Tränen aus. Silma und Teresa waren vor Wut und Enttäuschung gänzlich verstummt.
    »Ich verspreche euch, der Ofen wird so schnell wie möglich wieder aufgebaut, und ihr bekommt auch neuen Ton und neue Farben.« Dorothea nahm Raura in die Arme und tupfte ihr mit dem Taschentuch die Tränen trocken, wie sie es immer bei Olivia tat.
    Zwei Wochen später waren die Schäden behoben, der Betrieb in der Casa Santa Maria wurde wieder aufgenommen. Und sehr zur Freude der Mädchen zog ein neuer Hausgenosse ein. Don Quichote, ein großer schwarzer Hund mit Zottelfell, der darüber wachte, dass niemand sich unbefugt dem Anwesen näherte. Den Einfall hatte Antonio gehabt, und Dorothea dankte es ihm auf ihre Weise. Sie runzelte die Stirn, als sie ein unbekanntes Rasierwasser an seiner Halsbeuge roch – und schwieg.
    Der unerwartete Erfolg beim Verkauf der Töpfereien verleitete Dorothea zu weiteren kühnen Plänen. Vielleicht fand sie einen Partner in Deutschland, der die indianischen Keramiken zum Verkauf anbot. Von Else Reimann aus der Siedlung San Martino wusste sie, dass deren Neffe in Düsseldorf ein Porzellangeschäft besaß. Dorothea ließ sich die Adresse geben, schrieb ihm einen Brief, in dem sie ihr Anliegen schilderte, und legte einige Skizzen mit den schönsten Arbeiten ihrer Schützlinge bei. Bis sie eine Antwort bekäme, würde allerdings fast ein Jahr vergehen.
    In der Zwischenzeit hatte Dorothea eine Frau eingestellt, die Witwe eines Arztes, die den Heimbewohnerinnen an drei V ormittagen in der Woche Unterricht erteilte. Zwar hätte sie sie am liebsten selbst unterwiesen, aber sie nahm Rücksic ht auf Antonio und ihre Familie, die gewiss Anstoß daran ge nommen hätten. Und dann saßen die jungen Frauen auf ihren Stühlen und hörten aufmerksam zu, spornten sich gegenseitig an, weil jede die beste Schülerin sein wollte. Dorothe a wollte ihre Schützlinge darauf vorbereiten, ihr Leben eines Tages selbstständig zu meistern, wobei Lesen, Schreiben und Rechnen zu den wichtigsten Voraussetzungen gehörten.
    Fast ein Dreivierteljahr nach der Einweihung sorgte das Heim immer noch für Gesprächsstoff unter der Bevölkerung. Dorothea spürte deutliche Ablehnung, wenn sie in der Stadt unterwegs war und die Leute plötzlich grußlos an ihr vorübergingen oder wenn Gespräche unvermittelt verstummten. War sie mit Antonio im Theater oder auf Empfängen, hörte sie, wie hinter ihrem Rücken geflüstert wurde. »… stellt sich auf eine Stufe mit den unzivilisierten Wilden …«, »… die sollte sich lieber um ihre eigenen Angelegenheiten kümmern …«, »… dass ihr Mann so etwas zulässt. Mir tun ja vor allem die Kinder leid …« Aber sie bekümmerte solches Gerede nicht. Antonio hielt zu ihr, und dank seiner Stellung und der ihres Schwiegervaters musste sie niemandem schmeicheln oder hinterherlaufen. Ihr Herz und ihr Verstand sagten ihr, dass ihr Handeln richtig und wichtig war.
    Sie hatte bei der Köchin Karamelpudding und Bananenkuchen bestellt und wollte ihre Schützlinge damit überraschen. Als die Kutsche sich nach der letzten Wegbiegung der Casa Santa Maria näherte, wunderte Dorothea sich, dass Yahaira zusammen mit den Mädchen auf der Straße vor dem Haus stand. Und dann ahnte sie schon, dass etwas Schlimmes vorgefallen sein musste, denn alle hatten verweinte Augen.
    Dorothea stieg aus, und Yahaira deutete wortlos mit dem Kinn auf die Haustür. An zwei Stellen klebte ein Siegel, und auf einem angehefteten Zettel las Dorothea die Worte: Von Amts wegen gesperrt. Der Polizeipräsident.
    » Was soll das heißen?«, fragte sie erschrocken, und dann begannen alle auf einmal zu reden. Zwei Männer waren gekommen und hatten gesagt, die Frauen müssten umgehend das Haus verlassen. Es liege eine Anzeige wegen Prostitution vor, und bis zur Klärung des Sachverhalts dürfe niemand ins Haus zurück, um keine verräterischen Spuren zu beseitigen.
    Für einen Moment verschlug es Dorothea die Sprache. Als sie sich wieder gefangen hatte, machte sie ihrem Zorn Luft. »Das ist wirklich eine bodenlose Gemeinheit! Habt ihr eine Vorstellung, wer
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