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Das Land zwischen den Meeren

Das Land zwischen den Meeren

Titel: Das Land zwischen den Meeren
Autoren: Anna Paredes
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Unterbrochen nur von der Stimme von Teresas Söhnchen Seferino, das lautstark seinen Hunger kundtat.
    »Wir müssen ein Rechnungsbuch anlegen, in dem wir alle Einnahmen und Ausgaben eintragen«, erklärte Dorothea, als die Mädchen mit ihrem leeren Handkarren vom Markt zurückgekommen waren. »Wer von euch übernimmt diese Aufgabe?«
    Die drei jungen Frauen sahen betreten zu Boden. »Wir können weder lesen noch schreiben, Doña Dorothea.«
    »Aber … es gibt in Costa Rica doch Schulpflicht.«
    »Das stimmt zwar, doch niemand prüft, ob Indianerkinder tatsächlich zur Schule gehen. Wir müssen zu Hause unseren Eltern zur Hand gehen und unsere jüngeren Geschwister versorgen, wenn die Erwachsenen während der Erntezeit auf den Kaffeeplantagen oder Zuckerrohrfeldern arbeiten. Da bleibt keine Zeit fürs Lernen.«
    Jetzt war es Dorothea, die beschämt den Kopf senkte. »Dann übernehme ich die Buchführung. Das war ein ganzes Jahr lang meine Aufgabe. Unmittelbar nach meiner Ankunft in Costa Rica.« Somit wäre ihre Zeit in Jensens Gemischtwarenladen doch zu etwas nutze gewesen, kam ihr mit einem Mal in den Sinn.
    Sie nahm sich vor, Elisabeth am Abend einen langen Brief zu schreiben und ausführlich über die neuen Entwicklungen zu berichten. Schließlich hatte die Freundin sie auf den Gedanken mit dem Heim gebracht. Durch ihre Äußerung, die Indianerinnen sollten ihren prügelnden Vätern und Ehemännern davonlaufen und ihr Leben gemeinsam in die Hand nehmen. Endlich konnte Dorothea dem Müßiggang und der Monotonie auf der Hacienda entfliehen und etwas Nützliches tun. Sie war so glücklich wie schon lange nicht mehr.
    »Mama, gehst du heute wieder zu diesen dreckigen Indianerfrauen?«
    Dorothea musste nicht lange überlegen, wo ihr Sohn derartige Worte aufgeschnappt hatte, machte ihr Schwiegervater doch weiterhin keinen Hehl aus seiner Geringschätzung den Ureinwohnern des Landes gegenüber. Folglich nahm Pedro auch jede Gelegenheit wahr, sich abfällig über das Heimprojekt seiner Schwiegertochter zu äußern. Ihr selbst verweigerte er nach wie vor jedes Wort, tat, als wäre sie Luft. In Anwesenheit seines Sohnes riss er sich allerdings zusammen, weil Antonio keinerlei Kritik an seiner Frau duldete und Dorothea stets in Schutz nahm.
    »Ja, mein Junge, ich fahre heute zur Casa Santa Maria. Aber die Frauen, die dort leben, sind nicht dreckig. Sie haben von Natur aus eine dunklere Haut als wir. Weil Gott sie so gemacht hat. Und sie sind sehr sauber. Sogar viel sauberer als du.« Dabei wies sie lachend auf seine Knie, die eindeutig bewiesen, dass er erst kürzlich auf der Erde herumgekrochen war.
    »Abuelo sagt, alle Indianer sind dreckig«, gab Federico trotzig zur Antwort und bedeckte seine Knie hastig mit den Händen.
    »Weißt du, Federico, Großvaters Augen sind nicht mehr so gut wir früher, als er in deinem Alter war. Deswegen glaubt er wohl, Indianer seien ungewaschen«, versuchte sie eine Erklärung, die sowohl kindgerecht war, als auch ihren Schwiegervater nicht bloßstellte. Denn sie wusste, wie sehr Federico an dem alten Mann hing und dass er ihn bedingungslos verteidigt hätte. »Denk doch nur an Pablo, den Enkel des Kutschers, mit dem du so oft am Bach spielst. Der ist auch ein Indio. Aber ist der etwa schmutzig?«
    »Pablo ist mein Freund. Wir wollen einen Staudamm bauen!«, rief Federico und lief auf den Wasserturm zu, wo Pablo seinen Spielkameraden schon ungeduldig erwartete.
    Dorothea atmete auf. Ihr Sohn ließ sich also doch von ihr lenken. Sie sollte sich in Zukunft mehr Zeit für ihn nehmen und ihn nicht so sehr dem Einfluss des Großvaters überlassen, nahm sie sich vor.
    Sie war kaum an der Casa Santa Maria angelangt, als ihr die Bewohnerinnen schon aufgeregt entgegenliefen.
    »Doña Dorothea, es ist etwas Schreckliches geschehen! Jemand hat unseren Brennofen zerstört. Und die Gefäße, die wir für den nächsten Brand vorbereitet hatten, sind alle verschwunden.«
    Dorothea folgte den drei jungen Frauen und mochte nicht glauben, was sie sah. Der Brennofen war nur noch ein trauriger Haufen aus Steinen und Lehmziegeln.
    »Es muss in der Nacht passiert sein, als wir alle tief geschlafen haben«, erklärte Yahaira, die mit entschlossener Miene aus dem Haus trat. Sie reckte die geballte Faust. »Der soll mir zwischen die Finger kommen, der so etwas tut!«
    Die anonymen Briefe!, schoss es Dorothea durch den Kopf. Jemand war ihr persönlich nicht wohlgesinnt und fügte daher ihren Schützlingen Schaden
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