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Das Land hinter den Nebeln - Buch der Seelen 02

Das Land hinter den Nebeln - Buch der Seelen 02

Titel: Das Land hinter den Nebeln - Buch der Seelen 02
Autoren: Anna Kendall
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solche Besucher, und was hatte sie dazu veranlasst, durch eine Nacht zu reisen, die nur von einer hauchdünnen Mondsichel erhellt wurde?
    »Guten Morgen«, sagte ich zu dem Jungen. »Ich bin…«
    Er brüllte mir etwas zu, das ich wegen seines schweren, mit hohen Tönen durchsetzten Akzents nicht verstehen konnte.
    »Was?«, fragte ich.
    Diesmal blieben genug Worte bei mir hängen. »Bist… Trottel? Sag… schnell… Frühstück für meine Herrin!«
    Hitzige Worte lagen mir auf der Zunge: Ich war der Besitzer dieses Gasthaues und er nur ein Stallknecht! Aber ehe ich ihn mir vornehmen konnte, öffnete sich die Tür zur Hütte, und Maggie rannte heraus.
    »Peter! Dieses Lamm muss jetzt geschlachtet werden, wenn ich Eintopf für das Mittagessen kochen soll! Sie verlassen uns am frühen Nachmittag!«
    Mit den Händen an den Hüften stand sie da, ihre hellen Locken fielen unter ihrer Kappe hervor, von der Hitze der Küche war ihre Stirn mit Schweiß überzogen. Ein weißer Kittel bedeckte ein gepflegtes graues Kleid, das sie selbst genäht hatte. Maggie trug gerne Grau oder Rot oder Braun, aber niemals Grün oder Blau, die Farben der beiden Königinnen, für die sie als Küchenmagd gearbeitet hatte. Ihr Fuß in dem ordentlichen Lederstiefel trommelte auf den Boden. Sie sah hübsch aus, entschlossen und sehr gebieterisch: Maggie als Besitzerin und Befehlshaberin.
    Wie immer ließ das in mir den Wunsch entstehen, mich zu widersetzen, nicht herumkommandiert zu werden. Mein ganzes Leben lang war ich herumkommandiert worden: Von meinem Stiefvater, von einer Vorsteherin der Wäscherei, von einer Königin. In meiner eigenen Hütte würde man mich nicht herumkommandieren und schelten.
    »Zu seiner Zeit«, sagte ich gereizt zu Maggie. »Ich unterhalte mich mit diesem Mann hier.«
    Der Junge beachtete mich nicht und fütterte weiter die Maultiere.
    »Peter, wir brauchen…«
    »Zu seiner Zeit!«
    Jee tauchte an der Tür zur Hütte auf. »Maggie, du musst kommen! Sie wollen…«
    Ich wartete nicht ab, um zu hören, was sie wollten. Meine dumme missmutige Anwandlung war bereits vorüber. Maggie arbeitete hart für uns beide; die Reisenden waren offensichtlich reich und würden uns gut bezahlen; ich war ein Narr, dass ich nicht tat, was sie mir auftrug. Also machte ich mich auf den Weg zurück zum Schafstall.
    Aber dann trat eine alte Frau aus der Tür an der Rückseite des Wohnwagens. Sie stolperte über die einzelne Stufe, und ich sprang vor, um sie aufzufangen. Ihre beachtliche Masse torkelte gegen mich, und wir fielen beide zu Boden, ich zuunterst. Es war, als würde man von einer sehr großen, sehr dichten Matratze zermalmt. »Danke!«, rief sie im selben seltsamen Akzent.
    »Seid Ihr verletzt, Gevatterin?«
    »Nein, aber… Muss zu Atem kommen, Junge…«
    Ich führte sie zu der Holzbank vor der Hütte. Sie ließ sich schwer fallen. Und dann fing sie an zu reden.
    Am ehesten sind es die alten Frauen, die sich mit mir unterhalten wollen. Und abermals veränderte sich meine Welt.

2
    Die alte Frau, irgendeine Art Dienerin, trug ein einfaches braunes Kleid und eine weiße Kappe, ganz ähnlich wie Maggie. Der Stoff war allerdings wertvoller als alles, was Maggie jemals getragen hatte, und die weiße Kappe war mit den verschlungenen Buchstaben C und S bestickt. Das breite, faltige Gesicht der Dienerin wurde erst rot und dann weiß und dann wieder rot, während sie meine Fragen beantwortete.
    »Seid Ihr sicher, dass Euch nichts fehlt, Gevatterin?«
    »Es… mir gut… gut gepolstert… Lass mich einfach…«
    »Ich könnte Wasser holen. Oder Bier.«
    »W…wein?«
    »Nein.« Wein gab es in unserem Gasthaus nicht.
    »Dann… nicht.« Ihre Atmung beruhigte sich.
    »Ich bin Peter Forest, der Besitzer dieses Gasthauses. Woher kommt Ihr, Herrin?«
    Zu meiner Überraschung stöhnte sie auf. »Fort! Alles fort!« Sie legte die Hände über die Augen.
    »Fort? Was ist fort?«
    Sie stieß eine Flut von Worten aus, von der ich nur jedes dritte verstand. »Anwesen… Feuer… Kind… meine Herrin… alles, was übrig ist… Kind…«
    Ich legte ihr eine beschwichtigende Hand– meine einzige Hand– auf den Arm. »Ein Feuer? Im Anwesen Eurer Herrin hat es gebrannt?«
    »Nein!« Und abermals kam ein Strom von gequälten Worten. Diesmal erkannte ich nur drei. »Zerstört… Armee… Wilde.«
    Wilde. Eine Armee der Wilden.
    Ich packte sie so fest am Arm, dass die Frau tatsächlich zu reden aufhörte. »Eine Armee? Von wilden Kriegern in
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