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Das Land hinter den Nebeln - Buch der Seelen 02

Das Land hinter den Nebeln - Buch der Seelen 02

Titel: Das Land hinter den Nebeln - Buch der Seelen 02
Autoren: Anna Kendall
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selbst die begabteste Hebamme tun konnte, wenn Lady Joanna Kindbettfieber hatte, und genauso wenig ein Arzt. Der junge Harry Spenlow würde allzu bald Witwer sein, und der Säugling im vergoldeten Wohnwagen mutterlos. Ich sagte: »Mein Herr, Ihr seid schnell bei Nacht gereist. Was gibt es Neues aus dem Westen?«
    »Habt Ihr es nicht gehört? Ich habe versucht, es jedem zu erzählen, den wir unterwegs getroffen haben. Eine Armee zieht über die Berge. Sie plündern unterwegs Anwesen, schlachten unsere Tiere, um sich zu versorgen, schleppen unsere Besitztümer fort, verbrennen unsere Häuser. Eine Armee von Wilden– sie sehen in ihren Fellen und Federn kaum wie Menschen aus und haben schreckliche Waffen, die sie Gewehre nennen. Die Waffen verschießen Metallstücke mit großer Geschwindigkeit und Wucht. Mein Herr, so etwas habt Ihr noch nicht gesehen oder etwas dergleichen!«
    Doch. Das hatte ich.
    Lord Carush fuhr fort. »Sie haben mein Anwesen bis auf die Grundmauern niedergebrannt, und wir sind gerade noch mit dem Leben davongekommen. Meine unglückliche Köchin… Die Wilden haben auch die Anwesen meiner Nachbarn abgefackelt, so habe ich es zumindest gehört, obwohl wir vom Bergadel weit voneinander entfernt leben und mich nur Läufer darüber in Kenntnis gesetzt haben. Aber schaut doch nicht so drein, mein Herr. Alles, was ich gehört habe, deutet darauf hin, dass die Wilden keine Dörfer niederbrennen und auch kein gemeines Volk zu Schaden kommen lassen. Nur den Adel.«
    »Weshalb?«
    Er zuckte mit der wütenden Hilflosigkeit eines Mannes die Schultern, der daran gewohnt war, dass man sich an seine Befehle hielt. »Vielleicht sind sie alle wahnsinnig oder schwachsinnig. Aber wahrscheinlicher ist, dass sie eine Warnung an den Palast schicken wollen: ›Wir vernichten Euren Adel, bis wir bekommen, was wir wollen.‹«
    »Und was ist das?« Mein Herz hatte mit einem langsamen Pochen begonnen, schmerzhaft wie Steine, die einer nach dem anderen auf meine Brust herabfielen.
    Der Provinzlord wurde langsam ungeduldig, sich mit einem Gastwirt vom Land zu unterhalten, als wären sie gleichgestellt. Aber er antwortete mir. »Wisst Ihr das nicht? Man hat den Wilden Prinzessin Stephanie versprochen, damit sie den Sohn ihres Häuptlings heiratet. Vor drei Jahren, ehe Königin Caroline als Hexe verbrannt worden ist. Nun holen sie sich die Prinzessin. Die Armee wird von Lord Soleks Sohn angeführt, dem Junghäuptling.«
    »Aber…«
    »Bitte kümmert Euch um den Lammeintopf!«
    »Ja, mein Lord.« Ich wandte mich um, wollte zurück zum Schafstall stolpern, und die letzten Worte von Carush Spenlow holten mich ein, als ich hinaus unter die Sonne trat. Sein Ton war entschuldigend, ihm tat es leid, dass er mir gegenüber so grob gewesen war. Er war ein guter Mann.
    »Der Bote vom Anwesen meines Nachbarn hat auch gesagt, dass die Wilden außer der Prinzessin noch jemanden suchen. Sie haben Bedienstete befragt, auch meine Köchin. Die natürlich nichts gewusst hat. Grobiane!«
    Mein Herz stand vollkommen still.
    »Wen… wen suchen…«
    Lord Carush schüttelte den Kopf. »Ich weiß es nicht. Jetzt, bitte, den Lammeintopf.«

3
    Ich schlachtete das Lamm. Jee war nicht entbehrlich, um loszulaufen und die Hebamme zu holen, also ging ich selbst, denn ich bin in der Küche unnütz. Maggie bereitete den Eintopf zu, und die Reisenden verspeisten ihn am Mittag, und noch bevor die Schatten auf dem Gras länger wurden, waren sie fort. Gevatterin Johns aß im verlassenen Schankraum den restlichen Lammeintopf, während sie mit Jee, Maggie und mir am Tisch saß. Der Raum mit seinen dicken Mauern und dem Steinboden war kalt und düster. Bratensoße lief über Jees Kinn hinab. Er wischte sie mit einem Stück Brot ab.
    »Dieses Mädchen, Lady Joanna, wird sterben«, sagte Gevatterin Johns. »Ich habe nichts tun können.«
    Maggie nickte. Sie hatte sich das Haar hübsch gemacht und ihre Schürze gewechselt. Ihre Besitzer-und-Befehlshaber-Manier kam zum Vorschein. Ich versuchte zu vermeiden, sie anzusehen.
    »Das ist wirklich schade«, sagte die Gevatterin Johns. »Sie war wohl ein ganz nettes junges Ding. Aber keine Kraft. Nicht gebaut, um Kinder auszutragen. Du, Maggie, du könntest ein Dutzend gebären und trotzdem noch das Gasthaus führen.«
    Ich aß schneller, den Blick auf den Teller gerichtet.
    Gevatterin Johns kaute bedauernd auf dem letzten Brocken Lamm herum und schmatzte mit den Lippen. »Du bist eine wunderbare Köchin, mein Mädchen. Ich
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