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Das Lächeln der Frauen

Das Lächeln der Frauen

Titel: Das Lächeln der Frauen
Autoren: Nicolas Barreau
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in dem eine Welle der nächsten gleicht,
und der Blick auf die zarte Linie am Horizont gerichtet ist, wo der Reisende
das Festland zu erkennen meint.
    Ich glaube, so
schnell wurde noch kein Buch geschrieben. Ich war getrieben von dem Wunsch,
Aurélie zurückzugewinnen, und ich sehnte den Tag herbei, an dem ich ihr mein
Manuskript zu Füßen legen konnte.
    In den letzten
Tagen des Januars war ich fertig.
     
    An dem Tag, als ich Aurélie
Bredin abends das Manuskript vor die Wohnungstür legte, fing es an zu schneien.
Schnee in Paris ist etwas so Seltenes, daß die meisten Menschen sich darüber
freuen.
    Ich streifte
durch die Straßen wie ein Freigänger, ich bestaunte die Auslagen in den
erleuchteten Schaufenstern, ich sog den verlockenden Duft der frischgemachten Crêpes an dem kleinen Stand hinter der Kirche von Saint-Germain ein und entschied
mich dann für eine Gaufre, die ich mir dick mit Maronencrème bestreichen
ließ.
    Die
Schneeflocken fielen leise herab, kleine weiße Punkte in der Dunkelheit, und
ich dachte an das Manuskript, das in Packpapier eingewickelt war und das
Aurélie in dieser Nacht vor ihrer Tür finden würde.
    Es waren am
Ende zweihundertachtzig Seiten geworden, ich hatte lange überlegt, welchen
Titel ich dieser Geschichte geben sollte, diesem Roman, mit dem ich das Mädchen
mit den grünen Augen für immer zurückgewinnen wollte.
    Ich hatte sehr
gefühlvolle, romantische, ja, fast schon kitschige Titel aufgeschrieben, doch
ich strich sie alle wieder von meiner Liste. Und dann nannte ich das Buch
schlicht und ergreifend Das Ende der Geschichte.
    Egal, wie eine
Geschichte anfängt, egal welche verschlungenen Wendungen und Wege sie nimmt, am
Schluß ist nur das Ende wichtig.
    Mein Beruf
bringt die Lektüre vieler Bücher und Manuskripte mit sich, und ich muß zugeben,
daß mich jene Romane immer am meisten fasziniert haben, die ein offenes oder
gar tragisches Ende nehmen. Ja, man denkt gerade über diese Bücher noch eine
Weile nach, während man die mit einem glücklichen Ausgang schnell vergißt.
    Doch
irgendeinen Unterschied muß es wohl geben zwischen der Literatur und der
Wirklichkeit, denn ich gestehe, als ich das kleine braune Paket vor Aurélies
Tür auf den kalten Steinfußboden legte, ließ ich jedweden intellektuellen
Anspruch hinter mir. Ich sandte ein Stoßgebet zum Himmel und bat um ein glückliches Ende.
    Dem Manuskript
war ein offener Brief beigelegt, in dem ich folgendes geschrieben hatte:
     
    Liebe Aurélie,
    ich weiß, daß Du mich aus
Deinem Leben verbannt hast und keinen Kontakt mehr mit mir willst, und ich
respektiere Deinen Wunsch.
    Heute lege ich Dir das neue
Buch Deines Lieblingsautors vor die Tür.
    Es ist ganz frisch, ein
unlektoriertes Manuskript, und es hat auch noch keinen richtigen Schluß, aber
ich weiß, daß es Dich interessieren wird, weil es die Antworten auf alle Deine
Fragen enthält, die den ersten Roman von Robert Miller betreffen.
    Ich hoffe, daß ich damit
zumindest ein bißchen von dem gutmachen kann, was ich angerichtet habe.
    Ich vermisse Dich,
    André
     
    In dieser Nacht schlief ich zum
erstenmal tief und fest. Ich erwachte mit dem Gefühl, daß ich alles getan
hatte, was ich tun konnte. Nun blieb mir nur noch zu warten.
    Ich packte
eine Kopie des Romans für Monsieur Monsignac ein, und dann machte ich mich nach
mehr als fünf Wochen wieder auf den Weg in den Verlag. Es schneite noch immer,
Schnee lag auf den Dächern der Häuser, und die Geräusche der Stadt waren
gedämpft. Die Autos auf den Boulevards fuhren nicht so schnell wie sonst, und
auch die Menschen in den Straßen verlangsamten ihren Schritt. Die Welt, so kam
es mir vor, schien ein bißchen den Atem anzuhalten, und ich selbst war
seltsamerweise von einer großen Ruhe erfüllt. Mein Herz war weiß wie am ersten
Tag.
    Im Verlagshaus
wurde ich überschwenglich begrüßt. Madame Petit brachte mir nicht nur die Post
(es waren ganze Stapel), sondern auch den Kaffee; Mademoiselle Mirabeau steckte
mit geröteten Wangen den Kopf zur Tür herein und wünschte mir ein gutes neues
Jahr, an ihrer Hand sah ich einen Ring glitzern; Michelle Auteuil grüßte
hoheitsvoll, als wir uns auf dem Flur begegneten, und ließ sich sogar zu einem
»Ça va, André?« herab; Gabrielle Mercier seufzte erleichtert, es sei gut,
daß ich wieder da sei, der Verleger mache sie wahnsinnig; und Jean-Paul
Monsignac zog die Tür hinter uns zu, als er in mein Büro kam, und meinte, daß
ich aussähe wie ein Autor, der sein
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