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Das Königsmal

Das Königsmal

Titel: Das Königsmal
Autoren: Katrin Burseg
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Friedhof beerdigt.
    Seitdem war die Fröhlichkeit aus dem Hause Kruse verschwunden. Der Bauer sprach nur noch das Nötigste, auch wenn Wiebkes ältere Schwester sich mühte, die Mutter so gut es ging zu ersetzen.
    Was also ist ein Frauenleben? Gebären und die ständige Sorge um die Kinder, die Plackerei für Familie und Hof. Der ewige Kampf gegen die Mächte des Schicksals. Und ein Dasein, das wenig Platz für die eigenen Wünsche und Träume ließ. Für die Suche nach dem geheimnisvollen Zaubergarten, in den sie sich als kleines Mädchen immer hineingeträumt hatte.
    An der Mündung eines großen Flusses würde er liegen. Dort, wo sich das Wasser des Stromes mit den Fluten des Meeres vereinte und sich der Blick über den schwarzblauen Weiten verlor. Ein blühender Flecken Erde voll duftender Rosen und Apfelbäume. Ein Ort des Ursprungs wie das Paradies. Mit bunten Schmetterlingen, Vögeln und wundersamen Fabelwesen.
    „Und Gott der Herr pflanzte einen Garten Eden gegen Osten hin und setzte den Menschen hinein“, murmelte sie die biblischen Worte und schloss die Augen, bevor sich die Bilder im Sonnenlicht aufzulösen begannen.
    Dagegen konnten die Freuden ihres Lebens kaum bestehen: ein sonniger Blütentag im Frühjahr, der Duft des frischen Heus, eine warme Pferdeschnute, die ihr sanft seine Zuneigung ins Ohr pustete. Vielleicht die Gefühle eines Ehemannes, den sie bereits von Kindesbeinen an kannte und der sie irgendwann unbeholfen küsste?
    Aber was ist schon Liebe, dachte Wiebke. Glücklich das Paar, das sich auch nach diesem ersten Kuss mit Achtung und Zuneigung in die Augen blicken kann und das nach Jahren des gemeinsamen Lebens mehr verbindet als eine Schar Kinder und die nie enden wollende Arbeit. Zu oft hatte sie beobachtet, wie die Mühen des Alltags den Glanz in den Augen vieler Eheleute überdeckt hatten, bis er schließlich ganz verloschen war.
    Nein, so wollte sie nicht leben. Wiebke wusste, dass sie Hans Soodt so gut wie versprochen war. Doch der Spielgefährte aus Kindertagen war zu einem wenig reizvollen Mann herangewachsen. Sein Gesicht erinnerte sie an rohes Holz. Seine laute Stimme war dafür gemacht, gegen störrische Viehherden anzubrüllen. Welche Geheimnisse die Welt außerhalb des Dorfes bereithielt, schien den jungen Bauern nicht zu interessieren. Hans sah nur auf seine Ackerfurchen, er achtete nicht auf den Horizont. Und was sich dahinter verbarg, daran verschwendete er erst recht keinen Gedanken.
    Seufzend hielt die junge Frau inne und rieb sich ihre Hände, die vom kalten Wasser ganz rot und steif geworden waren. Sie fühlte sich mutlos und suchte in ihrer Erinnerung nach einem Halt. „Die Hoffnung ist größer als das Meer“, hatte ihr die Mutter immer zugeflüstert, wenn sie traurig gewesen war.
    Als Reiter über die große Brücke ritten und in Richtung Marktplatz verschwanden, blickte sie ihnen sehnsüchtig nach.
    Die Viehhändler und Kaufleute, die den Platz um die hölzerne Rolandstatue mehrmals im Jahr beim Ochsenmarkt bevölkerten, brachten Leben in die Stadt. Wenn das Vieh auf seinem Weg von Jütland in den Süden unter dem Ritterstandbild verkauft wurde, mischte sich das Mädchen gern unters Volk. Gierig atmete es die staubige Luft ein, die nach fernen Orten roch.
    Was gab es dort alles zu sehen! Auf dem Viehmarkt wechselten nicht nur Rinder und Pferde ihren Besitzer. Die Markttage zogen auch Gaukler und andere Schausteller in die Stadt, die jonglierten, Zauberkunststücke aufführten und selbst gebraute Medizin gegen Warzen, Gicht und andere Zipperlein verkauften. Und an allen Ecken bekam man Geschichten aus der Fremde zugeflüstert.
    Wiebke versuchte sich vorzustellen, wie die Menschen jenseits der Stadtgrenzen lebten. Wie sah ein Sommertag im hohen Norden aus, wo angeblich immer Schnee liegen sollte? Und die Kinder im heißen Süden, kannten sie gar kein Eis und keinen Frost? Und wie lebten die Menschen in den großen Städten, wo man Tür an Tür hauste und sich oftmals nicht beim Namen kannte? Wo man im geschäftigen Treiben in den engen Straßen oft nur schwer vorankam. Gern wäre sie heimlich in einen der großen Reisewagen gestiegen, wenn sich die Händler wieder zum Aufbruch bereit machten und der Ruf „Hüüü Oss“ die schwerknochigen Ochsen mühsam in Marsch setzte. Sie wollte die großen Handelsplätze – Frankfurt, Leipzig, Nürnberg oder Augsburg – sehen.
    Die Händler berichteten, dass Deutschland ein Netz aus Straßen durchzog, an deren Knotenpunkten
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