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Das Königsmädchen

Das Königsmädchen

Titel: Das Königsmädchen
Autoren: Martina Fussel
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halten sollte und schaute mir in Gedanken versunken den Stoff an. Doch dann stieß Hanna einen Freudenschrei aus – ein gelbes Band schlängelte sich um ihren Arm. Atira ging kopfschüttelnd weiter.
    Vor Freude strahlend lagen wir uns in den Armen. Aus dem Augenwinkel nahm ich wahr, dass selbst Jole Kinthos gefallen hatte. Man beglückwünschte uns und ein paar Mütter hoben ihre Töchter vor Freude hoch. Man konnte jetzt schon merken, wie die Menschen aus dem Dorf ihre Sympathie auf verschiedene Mädchen verteilten.
    Hanna erzählte mir, welche Kleider sie in den Tempel mitnehmen würde, als ich sah, dass meine Mutter mit Atira redete. Immer wieder warfen die beiden flüchtige Blicke zu mir. Der ernste Gesichtsausdruck meiner Mutter bereitete mir Sorgen.
    Auf dem Rückweg wurden meine Mutter und ich weiter von vielen beglückwünscht. Nana rang sich jedes Mal ein Lächeln ab, obwohl sie noch immer sauer auf mein Verhalten während der Deligo war.
    »Lilia, was hat Atira bei der Übergabe des Bandes zu dir gesagt?«, fragte sie, als keiner in der Nähe war.
    »Dass die Entscheidung für mich als Erste feststand.«
    Sie blieb kurz stehen, musterte mich und ging dann weiter.
    »Gut. Das ist ein gutes Zeichen.« Sie wirkte nun entspannter.
    »Und was hat sie zu dir gesagt, Mutter?«
    »Nun …«, sie überlegte. »Du weißt, dass Atira wie eine Mutter für mich ist. Sie hat mich praktisch aufgezogen. Und sie hat mir damals alles beigebracht, was ich als Königsmädchen gelernt habe. Wir wollen auch für dich das Beste und haben gemeinsam beschlossen, dass du ebenfalls in den Tempel ziehst.«
    »Was?« Ich war so erschrocken, dass ich es fast schrie. »Ich will nicht im Tempel wohnen!« Sofort packte sie mich am Arm, dass es wehtat, und zog mich zu sich herum.
    »Du wirst als Frau des Obersten dein ganzes Leben lang im Tempel wohnen. Es wird dir dort gefallen! Du wirst schon sehen. Viele wünschen sich, sie könnten mit dir tauschen!«
    Ich ging schneller und schaute in die andere Richtung. Ich war wütend und allein der Gedanke daran, im Tempel zu wohnen, verengte mir die Brust. Ich atmete tief ein.
    »Wenn es sich so viele wünschen, dann tausche ich halt mit ihnen,« sagte ich.
    Zu Hause angekommen riss ich mir die Bänder aus den Haaren. Ich schaute auf die Seide an meinem Arm. Das Grün verdeckte die Spangen, die mir meine Mutter angelegt hatte. Mit einer hastigen Bewegung riss ich das Band ebenfalls herunter.
    Ich war wütend und wollte nur noch weg. Morgen sollte ich mit den anderen in den Tempel ziehen, nur noch heute konnte ich frei über mich entscheiden. Schon jetzt beklemmten mich die Tempelmauern und ich malte mir aus, wie mich Atira auf Schritt und Tritt verfolgte.
    Später am Abend hatte ich mich etwas beruhigt und schlich mich aus dem Haus. Da ich nicht wusste, wo ich hingehen sollte, schlenderte ich zum Baum des Lebens. Wütend kickte ich gegen jeden Stein, der mir vor die Füße kam. Am liebsten hätte ich laut geschrien, meinen ganzen Frust hinausgebrüllt, dass es alle hören konnten.
    Natürlich war der Tempel schön und es gab viele Annehmlichkeiten, die den Dorfbewohnern verwehrt blieben. Aber manchmal war das einfach nicht genug. Ich hatte Angst, es wäre wie ein Gefängnis, in dem ich mich nicht frei bewegen könnte. Ich wollte selbst festlegen, mit wem ich aß und mit wem nicht. Im Tempel entschieden die Jungfern über mein Leben und genau das trieb mir diese Wut in den Bauch.
    Ich gab einem weiteren Stein einen Tritt, der daraufhin gegen den Baum flog und von dort abprallte.
    »Der Baum kann auch nichts dafür«, hörte ich jemanden mit sanfter Stimme in der Dunkelheit sagen. Erschrocken drehte ich mich um.
    »Wer ist da?« Die Sonne war hinter der steilen Felswand Ja-Hans verschwunden und es wurde schnell finster. Nur die Kerzen in der Kapelle erleuchteten einen Teil des Weges zum Tempel.
    »Wer ist da?«, fragte ich noch mal, diesmal ungeduldiger. Eine Gestalt im Umhang trat in den Kerzenschein.
    »Sei nicht so laut! Ich bin es, Kinthos.« Da er nun der Oberste war, knickste ich sofort vor ihm. Noch während ich den Kopf neigte, spürte ich seine Hand an meinen Oberarm. »Hör auf damit. Ich verbiete dir, vor mir zu knicksen, wenn wir nur unter uns sind!«
    »Aber Herr, Ihr seid doch der Oberste«, sagte ich gespielt freundlich.
    »Ja, leider.«
    »Ich habe dich zuerst gar nicht erkannt in dem dunklen Umhang.« Er schaute zu meinem Arm, den er noch immer umklammerte.
    Unsicher legte ich
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