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Das Königsmädchen

Das Königsmädchen

Titel: Das Königsmädchen
Autoren: Martina Fussel
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keine angenehmen Zeitgenossen. Nur selten bekam man sie zu sehen und wenn, dann begab man sich besser an einen anderen Ort.
    Nahe am Dorf hielt Kinthos plötzlich an und zog einen weiteren Umhang aus seiner Tasche. »Hier, zieh den über.«
    Er kam auf mich zu und legte mir vorsichtig den Umhang um. Dann zog er den Stoff auf meinen Schultern gerade und sah mich direkt an. Wir standen uns gegenüber, so nah, wie schon lange nicht mehr. Ich schaute in seine tannengrünen Augen. Mein Herz pochte schneller und wir waren beide verunsichert. »Komische Situation, was?«, durchbrach er die Stille und ich fühlte, wie das Blut in meine Wangen schoss.
    Langsam nickte ich und senkte den Kopf, um mich nicht in seinen Augen zu verlieren.
    »Warum hast du noch einen Umhang dabei?«
    »Ich habe dich aus dem Haus gehen sehen, als ich am Baum des Lebens stand. Da kam mir die Idee, dass wir einen Spaziergang machen könnten. Also habe ich schnell einen zweiten Umhang von zu Hause geholt.« Als er nach meiner Hand griff, machte mein Herz einen Satz.
    Wir gingen zum Rand des Dorfes. Ich wusste, dass es den anderen Mädchen gegenüber ungerecht war, diesen Ausflug mit Kinthos zu machen. Doch bis auf Hanna waren mir die anderen egal.
    Bevor wir uns dem großen Marktplatz mit dem runden Brunnen näherten, hielt mich Kinthos am Arm fest und drehte mich zu sich.
    »Lilia, sei mir nicht böse, aber mir wäre es lieber, wenn uns heute keiner erkennen würde.«
    »Schon klar, mach dir keine Gedanken.« Er griff hinter mich und für einen kurzen Moment dachte ich, er würde mich zu sich heranziehen wollen, um mich zu küssen. Doch er griff nur nach meiner Kapuze. Seine Hände verweilten dort, als sich unsere Blicke trafen. Es kribbelte kurz in mir, dann lächelte er mich verschmitzt an.
    »Weißt du noch, wie wir das immer gespielt haben?« Ich spürte seinen Atem auf meiner Stirn und wieder begann mein Herz schneller zu pochen.
    »Was meinst du?«
    »Na, wir haben doch früher immer gespielt, dass ich der Oberste bin und du mein Königsmädchen bist.«
    Jetzt musste auch ich lächeln. »Schon komisch, wie alles wahr wird, oder?«
    Er nickte, dann wurde sein Blick plötzlich traurig. Ohne etwas zu sagen, zog er mir die Kapuze über den Kopf, legte kurz seine Hände auf meine Schultern und drehte sich dann weg.
    Er verhüllte auch sein Haupt und nebeneinander gingen wir ins Dorf. Hier war es viel heller, denn der Marktplatz war erleuchtet, dazu kam das Licht aus den einzelnen Hütten ringsherum.
    Es schien, als wären alle auf den Beinen. Die Deligo war ein Festtag. Jede, die es geschafft hatte im Tempel aufgenommen zu werden, wurde gefeiert und geehrt. Auch, wenn es vielleicht nur für kurze Zeit sein würde.
    Kinthos und ich hielten uns im Hintergrund, um uns das Geschehen aus der Ferne ansehen zu können, ohne entdeckt zu werden. Jole und ich waren die einzigen Auserwählten, die auf dem Plateau lebten, und so kamen fünf Mädchen aus dem Dorf. Sie saßen mit ihren Familien an einer langen Tafel und man brachte ihnen Obst, Gemüse, Stoffe, Schmuck, Brot und Wein.
    »Weißt du, warum sie so viele Geschenke bekommen?«, fragte Kinthos vorsichtig.
    »Meine Mutter hat mir erzählt, dass sie die Geschenke eigentlich bekommen, weil die Mädchen, wenn sie nun im Tempel verschwinden, nicht mehr auf den Feldern bei der Ernte helfen können. Deshalb werden die Eltern unterstützt.«
    »Eigentlich. Und uneigentlich? Weshalb werden sie wirklich beschenkt?«
    »Angenommen, deine Tochter ist ein Königsmädchen, dann bekommst du viele Geschenke von den Familien. Und wenn sie die neue Oberste wird, bekommen auch die Eltern Zugang zu den Reichtümern im Tempel …« Ich grinste breit, denn Kinthos hatte bereits verstanden.
    » … Und dann bedenkt man natürlich die großzügigen Geschenke aus dem Dorf!«, beendete er meinen Satz.
    Die Mädchen saßen etwas weiter von ihren Eltern entfernt, genauso gekleidet, wie am Morgen. Es wurden Wetten abgeschlossen, welche von ihnen am längsten durchhielt.
    Mein Blick fiel auf ein besonders hell erleuchtetes Haus oben auf dem Berg, hinter dem Dorf. Etwas bewegte sich dort, jemand kam mit einer Fackel zum Dorf geritten. Das sah hübsch aus, denn die Fackel zog einen kleinen Schweif in der vollkommenen Dunkelheit hinter sich her.
    »Das ist Karthane«, flüsterte Kinthos und ich war überrascht, dass ihm aufgefallen war, dass ich so auf den Fackelschein gestarrt hatte.
    »Sing, Hanna«, rief ein alter Mann. »Wer weiß,
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