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Das Königsmädchen

Das Königsmädchen

Titel: Das Königsmädchen
Autoren: Martina Fussel
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wann wir deiner Stimme zur Nacht wieder lauschen dürfen?« Alle klatschten und Hanna stand gerade auf, als sie die Fackel erblickte, die nicht mehr weit vom Dorf entfernt war.
    »Einen Moment noch, da kommt Karthane«, rief sie. Der Reiter auf dem Pferd kam näher. Eine Gestalt auf dem schönsten Pferd, das ich je gesehen hatte, ritt einmal um den Marktplatz und um die Familien herum, sodass sie von allen wahrgenommen werden konnte.
    In einer fließenden Bewegung stieg die Person ab und band den Rappen an einem Pfahl fest. Mit Schwung zog sie die große Kapuze vom Kopf und ihre langen Haare fielen ihr über die Schulter. Sie war ungefähr im Alter meiner Mutter, wirkte aber viel größer und nicht so zierlich. Alle sahen sie an. Sie ging mit großen Schritten auf die Tafel der Familien zu.
    »Dieses Pferd aus der Zucht meines verstorbenen Mannes soll der Familie gehören, deren Tochter die Oberste wird.«
    Alle klatschen und Karthane verneigte sich vor den Familien. Geschickter Schachzug.
    »Wollen wir gehen?«, fragte ich Kinthos.
    »Nein, noch nicht. Gleich zeigen die Mädchen, mit welchen Künsten sie mir imponieren wollen.«
    »Hee, das ist unfair«, sagte ich und kniff ihm in die Seite.
    »Bitte, ja?«
    Ich nickte. Es konnte für mich auch nicht schlecht sein, zu wissen, mit wem ich es in den nächsten Wochen zu tun hatte. Meine Mutter versuchte bereits seit zwei Jahren, mir Tanz, Musik und Benehmen beizubringen, doch ich war für alles zu ungeschickt.
    Die zwei Mädchen, die sich sehr ähnlich sahen und wahrscheinlich Schwestern waren, zeigten schöne Hebefiguren. Es war imposant, zu sehen wie sehr sie ihre Körper verbiegen konnten. Kinthos grinste breit und erntete dafür von mir einen Hieb in die Rippen.
    Als Nächstes war ein schüchternes Mädchen dran, die zu meiner Verwunderung zu Pfeil und Bogen griff und auf eine Zielscheibe in weiter Entfernung schoss. Sie traf tatsächlich ins Schwarze. Obwohl das eine stolze Leistung war, konnte ich nicht ganz nachvollziehen, was sie damit bei Kinthos erreichen wollte. Er zog nur die Schultern hoch und lachte.
    »Vor der musst du dich in Acht nehmen, Kinthos.«
    Dann war Hanna dran und ich merkte, wie sie seine Aufmerksamkeit in Beschlag nahm. Sofort wurde sein Gesicht ernst, er sah konzentriert aus. Hanna sang ein altes Schlaflied. Hanna konnte wirklich wunderschön singen. Ihre schillernde Stimme erklang über den Marktplatz und alle Augen waren nur auf sie gerichtet.
    Die Sonne legt sich schlafen, wir heißen willkommen die Nacht, auf Menschen, die wir trafen, gib nun all deine Acht.
    Die Arme werden schwer und die Augen fallen zu, die Beine wollen nicht mehr und alle kommen zur Ruh.
    Oh Stein der Erde schütze uns, mach, dass wir gut schlafen,
    Stein der Erde vergebe uns, für alle unsere Strafen.
    Aus der Erde wachsen nun die Knospen, die wir pflanzten, beschenken unser ganzes Tun, oh wie sie um uns tanzen.
    Schenk uns Nahrung hier im Wald, sobald da kommt der Morgen, und wenn wir dann wieder schauen, vergessen sind die Sorgen.
    Oh Stein der Erde beschenke uns, mit allen deinen Gaben,
    Stein der Erde lenke uns, damit wir deinen Segen haben.
    Ich konnte nicht länger zuhören, weil Karthane plötzlich meinen Blick auf sich zog. Es sah aus, als würde sie jemanden in der Menge suchen. Ihr Blick blieb abrupt auf Kinthos und mir hängen.
    Alle jubelten und klatschen und mir wurde bewusst, dass Hanna das Lied beendet hatte. Sie erntete tosenden Applaus, auch Kinthos war sehr beeindruckt.
    »Oh Mann«, brachte er schließlich hervor. »Das war wunderschön, nicht wahr?«
    »Ja, das war es.« Wieder schaute ich zu Karthane, die sich nun in Bewegung gesetzt hatte und mit ruhigen Schritten auf uns zukam. Mein Herz schlug höher.
    Ob sie uns erkannt hatte?
    Kinthos lachte leise, doch mir war nicht zum Lachen zu Mute. »Karthane hat uns entdeckt!«
    »Wir kennen uns schon lange, mach dir keine Sorgen«, sagte er beruhigend und ging auf sie zu.
    »Ich wusste, dass du heute hierherkommst, du Bauer.« Beide umarmten sich herzlich.
    »Karthane, darf ich dir Lilia vorstellen?« Karthane zog die Brauen hoch.
    »Na, das ist aber eine Überraschung. Ihr schaut euch gemeinsam die Auserwählten an? Das ist gemein, Kinthos.«
    Ich schämte mich und verneigte mich vor ihr. »Nein, nein Liebes, nicht verneigen. Nicht vor mir. Ich bin nur eine Pferdewirtin und es gibt keinen Grund für eine Verneigung.«
    »Es schadet aber auch nicht.« Ich zwinkerte ihr zu und sie lächelte.
    Kinthos
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