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Das Kloster der Ketzer

Das Kloster der Ketzer

Titel: Das Kloster der Ketzer
Autoren: Rainer M Schroeder
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was Ihr sagt, Mutter, wie soll uns denn die Flucht gelingen? Ohne Pferde haben wir doch nicht den Schimmer einer Chance, diesem Tassilo und seinen Männern zu entkommen!«
    Elmar Gramisch warf ihm ein Lächeln zu, das ihm wohl Mut machen sollte, jedoch reichlich gezwungen ausfiel. »Ja, Pferde brauchen wir – und wir werden sie uns holen! Ich habe auch schon eine Idee, wie wir ihnen ein Schnippchen schlagen können. Wir klettern nämlich hinten von einer der Dienstbotenkammern auf das rückwärtige Dach. Von dort kommen wir ohne große Schwierigkeiten hinüber auf das Dach des Wirtschaftstraktes und zur Dachluke des Heubodens, durch die wir hinunter in den Stall gelangen können. Wir haben glücklicherweise die einbrechende Dunkelheit auf unserer Seite. Bevor die Schergen des Domherrn hier die Tür aufgebrochen haben und merken, dass wir gar nicht mehr bei Euch sind, haben wir auch schon drei Pferde gesattelt und jagen aus dem Hof! Ich weiß, es ist riskant und bedarf eines Quäntchens Glück, um zu
gelingen, aber wir müssen es wagen! Eine andere Möglichkeit haben wir nicht!«
    Ansgar Brake nickte. »Und jetzt nichts wie weg! Da kommen sie schon!«
    Stiefel polterten die Treppe zu ihnen ins Obergeschoss hoch. Und im nächsten Moment rüttelte jemand vergeblich am Türknauf, sogleich gefolgt von einer Faust, die grob gegen die Eichenbohlen hämmerte.
    »Aufmachen!«, brüllte jemand herrisch. »Im Namen des hochwohlgeborenen Domherrn Tassilo von Wittgenstein! Öffnet augenblicklich die Tür! Wer sich dem Befehl widersetzt, wird es bitter bereuen und als Ketzerfreund zur Rechenschaft gezogen!«
    »Was redet der da von Ketzern?«, flüsterte Sebastian erschrocken, der bei den Faustschlägen von der Bettkante aufgesprungen war.
    Elmar Gramisch ignorierte die Frage. »Lass sie hören, dass du hier bei uns im Zimmer bist, Sebastian!«, raunte er ihm zu. »Nun mach schon! Es ist wichtig, dass er weiß, dass du hier im Zimmer bist, damit er seine Männer nicht ausschickt, um anderswo auf dem Hof nach dir zu suchen!«
    Sebastian schluckte, um den Kloß hinunterzuwürgen, der ihm in der Kehle saß. Dann rief er laut zurück: »Was wollt ihr von uns? Wir haben nichts mit euch zu schaffen! Und meine Mutter ist schwer krank! Verschwindet gefälligst vom Erlenhof !«
    »Und wer sich mit Gewalt Zugang zu diesem Zimmer zu verschaffen sucht, wird unsere Klingen zu spüren bekommen!«, fügte nun Ansgar drohend hinzu.
    Höhnisches Gelächter antwortete ihm von der anderen Seite. Und dann befahl eine harsche Stimme, bei der es sich nur um die des Domherrn handeln konnte: »Genug palavert! Brecht die
Tür auf! … Na los, an die Arbeit, Jodok! … Holt irgendetwas, was ihr als Rammbock benützen könnt! … Einen Tisch oder die schwere Truhe da drüben! … Und wer von den Kerlen mit der blanken Klinge Widerstand leistet, der wird ohne Erbarmen niedergemacht! Man muss die ketzerische Brut ausrotten, bevor ihr noch mehr Giftzähne gewachsen sind! … Aber den jungen von Berbeck will ich lebend!«
    »Verschwinden wir!«, raunte Elmar und wollte schon zur Tür hinüber, durch die man über einen schmalen Gang und eine kurze, steile Stiege zu den rückwärtigen Kammern der Dienstboten gelangte.
    »Wartet!«, flüsterte Gisa von Berbeck erschrocken. »Ihr müsst unbedingt das Buch mitnehmen! Allmächtiger, fast hätte ich das in der Aufregung vergessen!«
    Verwirrt sah Elmar Gramisch sie an. »Was für ein Buch?«
    »Eine Reisebibel mit gehämmerten Kupferdeckeln und zwei soliden Schlössern. Sie liegt dort in der Truhe neben dem Kamin, eingewickelt in einer alten ledernen Umhängetasche. Fragt nicht lange, sondern tut, was ich gesagt habe!«, teilte sie ihm hastig mit, während von der anderen Seite der Tür wieder wütende, drohende Stimmen zu ihnen drangen, die Einlass verlangten. »In der Ledertasche findet Ihr auch eine gut gefüllte Geldbörse.«
    »Sei beruhigt, ich habe meinen Geldbeutel dabei, Mutter«, sagte Sebastian, der noch nicht recht begriffen hatte, dass es für absehbare Zeit keine Rückkehr nach Erlenhof gab – eine erfolgreiche Flucht vorausgesetzt.
    Sie bedachte ihn mit einem nachsichtigen Lächeln. »Ihr werdet viel mehr als eine Hand voll Münzen für das brauchen, was vor euch liegt.« Ihr Blick ging zu ihrem Verwalter hinüber. »Bringt meinen Sohn nach Wittenberg, Elmar! In Wittenberg ist er vor Tassilo sicher! Fragt dort nach dem Druckherrn Leonius
Seeböck. Sagt, dass Gisa von Berbeck Euch schickt. Alles
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