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Das Kloster der Ketzer

Das Kloster der Ketzer

Titel: Das Kloster der Ketzer
Autoren: Rainer M Schroeder
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und aufs Dach kommen, können wir uns auch gleich selbst die Klinge an die Kehle setzen!«
    »Recht hast du! Also komm!« Elmar packte Sebastian mit eisernem Griff am Unterarm und stieß ihn hinaus in den dunklen Gang.
    Sebastian versuchte, sich zu widersetzen und sich aus der Umklammerung zu befreien, doch gegen die Kräfte des Verwalters kam er nicht an.
    »Reiß dich gefälligst zusammen und beweise, dass du Manns genug bist, um jetzt nicht die Nerven zu verlieren!«, herrschte Elmar ihn an.
    Sebastians Widerstand brach jäh in sich zusammen. Bleich wie ein Leichentuch, wortlos und wie in Trance, taumelte er mit ihnen durch den schmalen Gang, stolperte die Stiege hinauf und gelangte in die Dienstbotenkammer, von der aus man auf das rückwärtige Dach steigen konnte. Und während er den
Anweisungen der beiden Männer folgte wie eine Marionette den Bewegungen ihres Puppenspielers, jagten sich die Fragen hinter seiner Stirn wie die Blitze bei einem heftigen Gewitter. Und ganz besonders eine Frage wollte ihn nicht mehr loslassen: Wenn er nicht Sebastian von Berbeck war, wer war er dann?

2
    Bäuchlings lagen sie auf den Dachschindeln, holten Atem und horchten. Aus dem Haus kamen noch immer die wütenden Stimmen des Domherrn und seiner Schergen sowie das laute, fast rhythmische Krachen von Holz, das mit Wucht gegen die verriegelte Eichentür gerammt wurde. Am Himmel trieb ein nasskalter Wind dunkle, tief hängende Wolken wie ein Wolf eine Herde dreckiger Schafe vor sich her. Das letzte Tageslicht versickerte schon hinter den Baumspitzen des Waldes, der im Westen die Felder und Äcker des Landgutes begrenzte.
    Niemand hatte sie bemerkt, als sie vor wenigen Augenblicken aus dem kleinen Fenster der Kammer gestiegen und auf dem schmalen, rückseitigen Vordach des Haupthauses zu seinem westlichen Ende gekrochen waren, wo sich der niedrigere Trakt der Stallungen mit dem Heuboden in einem rechten Winkel anschloss. Sie hatten ihre Stiefel ausgezogen und die Schuhbänder zusammengebunden, um sie sich um den Nacken zu legen.
    »Lasst bloß die Köpfe unten!«, raunte Elmar. »Und pass auf die Waffen auf, Ansgar! Schon das leiseste Scheppern könnte uns verraten, wenn wir uns gleich auf das Dach des Heubodens
hinablassen und unten im Hof zufällig ein aufmerksamer Wachposten Augen und Ohren offen hält!«
    »Habe alles fest im Griff!«, kam es leise von Ansgar zurück, der die Waffengurte mit den Degen an sich genommen hatte. »Von mir aus können wir es wagen.«
    Elmar wandte den Kopf nun Sebastian zu und sah ihn forschend an. »Ich kann mir gut vorstellen, was in dir vorgehen muss und dass dir sicherlich tausend Fragen auf der Zunge brennen. Aber all das muss warten! Jetzt musst du dich allein auf das konzentrieren, was vor uns liegt! Wenn uns die Flucht nicht gelingt, fließt unser Blut, Ansgars und meines, und du wirst verschleppt, eingekerkert und womöglich der Folter unterzogen! Hast du das verstanden?« Er machte eine kurze Pause, um seine Worte einwirken zu lassen. Dann legte er ihm seine Hand auf den Arm und fragte: »Also bist du bereit und auch wirklich ganz bei der Sache?«
    Sebastian presste die Lippen zusammen und nickte nur stumm. Aber die Erwähnung der Folter, die ihm womöglich drohte, wenn er Tassilo in die Hände fiel, hatte seine Sinne plötzlich wieder geschärft.
    »Gut, dann nichts wie hinunter auf das Dach der Stallungen! Aber nicht alle gleichzeitig, sondern einer nach dem andern und möglichst so leichtfüßig wie eine Katze!«, ermahnte Elmar sie. »Ich steige zuerst hinunter! Und dann gebt ihr mir die Waffen, die Stiefel und die Ledertasche!«
    Er glitt, auf dem Bauch liegend, seitlich an den Rand des Daches, schwenkte die Beine über die Kante, ließ sie vorsichtig hinunterbaumeln und rutschte dann langsam mit dem Oberkörper nach, während er sich mit den Händen an der Dachkante festhielt und sich so lang wie möglich machte. Dennoch vermochte er das Dach des westlichen Wirtschaftstraktes nicht mit den Zehenspitzen zu erreichen. Es fehlte eine gute
halbe Armlänge. Und so ließ er los und ging beim Aufkommen sofort in die Knie, um den Aufprall abzufedern und möglichst kein verräterisches Geräusch zu verursachen. Bis auf ein leises Knarren unter seinen Füßen, das unmöglich bis in den Hof hinunterdringen konnte, war auch nichts zu hören.
    Ansgar und Sebastian reichten ihm nun nacheinander die Degen, dann die drei Paar Stiefel und zum Schluss die Ledertasche mit der Bibel.
    »Jetzt du!«,
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