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Das kleine Buch vom Riechen und Schmecken

Das kleine Buch vom Riechen und Schmecken

Titel: Das kleine Buch vom Riechen und Schmecken
Autoren: Hanns Hatt , Regine Dee
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vielfältigen Schutz, um die bitteren Gifte verschiedenster Pflanzen zu meiden. Kalorienreicher Zucker war dagegen schon immer lebensnotwendig – egal, wie seine chemische Struktur aussah.
    Wenn wir aber einen Koch loben und sagen »Das hat mir wunderbar geschmeckt!«, meinen wir eigentlich: Es hat gut gerochen. Wir wollen ihm schließlich nicht sagen, sein Salat sei bloß sauer oder die Suppe salzig gewesen, wir wollen die Sauce loben mit den vielen würzigen Kräutern oder sein Dessert mit den leckeren Schoko-Erdbeeren. Wenn wir davon einen Löffel in den Mund nehmen, nimmt die Zunge die Süße wahr, das Aroma der Erdbeeren aber wandert aus dem Mund durch eine Verbindungsröhre zu den Riechzellen in der Nase. Hintenherum sozusagen, weshalb der Vorgang »retronasales Riechen« heißt.
    Zeitgleich mit der Geruchswahrnehmung kommen die Geschmackseindrücke von der Zunge im Gehirn an. Sie werden aber zuerst in die Gehirnabschnitte für Emotionen, für Schmerz oder für Mimik geleitet, weshalb man zum Beispiel beim Zitronelutschen unweigerlich das Gesicht verzieht. Erst in höheren Gehirnstrukturen treffen sie mit den Aromen aus der Nase zusammen, und es entsteht ein ganz besonderes, einzigartiges Dufterlebnis: der Geschmack.

Schmecken mit allen Sinnen

    Soll ein Espresso gut riechen oder gut aussehen? Was für eine Frage: beides natürlich! Außerdem soll er sich durch eine wunderbare Crema gut anfühlen. Noch besser wäre, er würde sich gleichzeitig gut anhören, obwohl man das ja nicht unbedingt von ihm erwartet. Schließlich ist ein Espresso kein Kartoffelchip. Der muss nicht nur lecker riechen, attraktiv aussehen und super schmecken, sondern außerdem noch knusprig krachen, wenn man reinbeißt. Keine einfache Sache für einen Food-Designer, der bei der Kreation neuer Geschmackserlebnisse ein sehr geforderter Mann ist. Auch Schokolade wäre ohne ihn nicht dieselbe. Für sie reicht es nämlich nicht, verlockend auszusehen. Auch das Knacken beim Abbrechen einer einzelnen Schokorippe muss sich genau richtig anhören, damit dem Kunden das Wasser im Mund zusammenläuft. Augenweide und Ohrenschmaus zugleich! Und das ist noch längst nicht alles.
    Ein Koch wird natürlich darauf achten, dass der Lachs nicht blass, sondern zartrosa aussieht und der Spinat kräftig grün. Die Geschmacksknospen der Zunge müssen mit einem ausgewogenen Verhältnis von Süße und Säure, Salzen und leichten Bitterstoffen bedient werden, die Nase erlebt die Aromen von Fisch, Spinat und Weinsauce im Zusammenklang, während der Mund sich über das bissfeste Gemüse und die samtige Sauce freut. Denn keinesfalls darf ein Gemüse zu weich oder eine Sauce klumpig sein. Optimal ist ein Geschmackserlebnis nur dann, wenn es sich auch gut anfühlt. Eine Cola muss prickeln, eine Wasabi-Creme schön scharf sein und die Mousse au Chocolat zum Nachtisch muss cremig auf der Zunge zergehen. Das sind Genüsse, die uns die Sensoren unseres Gesichtsnervs, des Nervus trigeminus, bescheren, sie alle gehören zum spektakulären Sinneserlebnis, das wir Geschmack nennen.
    Das Schmecken ist also ein umfassendes Geschehen, das schon mit dem ersten Blick einsetzt und sich gleichzeitig im Mund, in der Nase und dann im Gehirn abspielt. Unser Gehirn führt all diese Sinnesreize zusammen und macht daraus ein Gesamtkunstwerk. Das lässt sich sogar im Kernspintomografen an den Aktivitätsmustern beobachten: Die verschiedenen sensorischen Kanäle von Auge, Ohr, Nase und Mund werden als gemeinsame Signale in höheren Gehirnregionen weiterverarbeitet.
    In der Amygdala (Mandelkern), dem Zentrum für Gefühle, gibt es sogar einzelne Gehirnzellen, die mehrere Sinneseindrücke auf einmal wahrnehmen können: Geruch, Geschmack, Fettgehalt und Viskosität ebenso wie Temperatur, Farbe und Geräusche. Selbst der Schmerz wird hier registriert. Deshalb können schwarzer Pfeffer, Chili oder Ingwer die Aromen von Erdbeeren oder Schokolade verstärken. Und es ist keine Spinnerei, wenn ein Koch in eine Tomatensuppe eine Prise Zucker streut oder ein paar Tropfen Essig in die Soße gießt: Die Geschmacksstoffe intensivieren die Aromen, was auch dazu führt, dass wir schneller satt werden. Das haben amerikanische Wissenschaftler vor Kurzem entdeckt. Außerdem schmeckt die Tomatensuppe einfach tomatiger. Besser gesagt: Sie duftet tomatiger und schmeckt einfach köstlich.
    Kein Wunder, dass alle Versuche scheiterten, der Menschheit eine Diät mit Essensdüften aus der Spraydose zu verschreiben.
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