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Das Kind der Stürme

Das Kind der Stürme

Titel: Das Kind der Stürme
Autoren: Juliet Marillier
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beherrschen.
    »Na gut was?«
    »Es ist ja wohl eindeutig genug, dass ich nicht einfach nur irgendein Mädchen bin. Also kannst du aufhören, meine Zukunft für mich zu planen. Das kann ich selbst tun.«
    »Mhm.« Er fragte nicht nach Einzelheiten. Wir saßen eine Weile schweigend da und sahen zu, wie die Möwen über den Fischerbooten kreisten. Das Meer war schieferdunkel; es würde noch vor dem Abend einen Sturm geben. Nach einer Weile begann Darragh, mir von dem weißen Pony zu erzählen, das er aus den Hügeln mitgebracht hatte. Sein Vater wollte, dass er die Stute auf dem nächsten Pferdemarkt verkaufte, aber Darragh war nicht sicher, ob er sich von ihr losreißen konnte, denn es hatte sich ein seltenes Verständnis zwischen den beiden entwickelt. Lange bevor er mit dieser Geschichte fertig war, war ich vollkommen darin versunken und hatte ganz vergessen, dass ich böse auf ihn war.
    ***
    Ich war vierzehn Jahre alt, und der Sommer war beinahe vorüber. Vater war zufrieden mit mir, das sah ich ihm an. Der Verwandlungszauber war schwierig, aber man konnte damit spektakuläre Ergebnisse erreichen. Mein Vater konnte sich in ein ganz anderes Wesen verwandeln: einen roten Fuchs mit glänzenden Augen oder ein seltsam geisterhaftes Geschöpf, das hauptsächlich einer etwas ausgeprägteren Rauchfahne ähnelte. Er verriet mir die Worte, die man dazu brauchte, aber er erlaubte mir nicht, es selbst zu versuchen. Es war gefährlich, wenn man es unvorsichtig anging. Die Gefahr bestand darin, dass einem die notwendige Beherrschung fehlte, um den Bann wieder rückgängig zu machen. Es bestand immer die Möglichkeit, dass man nicht wieder in die eigene Gestalt zurückkehren konnte. Außerdem, so erklärte Vater, erschöpfte eine solche Veränderung die Kraft eines Zauberers gewaltig. Je mehr sich das Abbild von der eigenen Gestalt unterschied, desto mehr Kraft musste man für Verwandlung und Rückverwandlung aufwenden. Wenn man zum Beispiel versuchte, ein wildes Seeungeheuer zu werden oder ein Adler mit rasiermesserscharfen Krallen, und dann wieder in die eigene Gestalt zurückkehrte, konnte man einige Zeit lang überhaupt keine Magie mehr wirken. Dieser Schwächezustand konnte sogar einen ganzen Tag und eine ganze Nacht dauern. In solchen Situationen war ein Zauberer am verwundbarsten.
    Also verbot Vater mir, die Hauptvariationen des Banns zu versuchen, die der Verwandlung in nicht menschliche Gestalten dienten. Aber für subtileren Gestaltwandel war ich wirklich begabt. Am Anfang war es sehr anstrengend, und ich war danach immer vollkommen ausgelaugt. Aber ich lernte, und mit der Zeit gelang es mir, die Gestalt mit nicht weniger Anstrengung zu wechseln, als ein Augenzwinkern kosten würde. Ich lernte auch besser zu verbergen, wie erschöpft ich hinterher war.
    »Du musst begreifen«, erklärte Vater ernst, »dass du einfach nur die Augen der anderen täuschst. Wenn deine Verkleidung sehr subtil ist, nur eine kleine Veränderung deiner selbst, werden die Leute nicht einmal wirklich merken, dass sich etwas verändert hat. Sie werden sich bestenfalls fragen, wieso ihnen nicht schon lange aufgefallen ist, wie ungemein liebreizend du bist oder wie vertrauenswürdig du wirkst. Sie werden nicht erkennen, dass sie manipuliert wurden. Und wenn du dich dann zurückverwandelst, werden sie nicht einmal wissen, dass sie dich jemals anders gesehen haben. Eine vollkommene Veränderung ist etwas ganz anderes. So etwas muss sehr vorsichtig angegangen werden. Es kann zu Schwierigkeiten führen. Es ist immer am besten, wenn man so dicht wie möglich an der eigenen Gestalt bleibt. So kannst du dich leicht wieder zurückverwandeln und deine Kraft rasch wiedererlangen. Entschuldige mich einen Augenblick.« Er wandte sich von mir ab und unterdrückte ein Husten.
    »Geht es dir nicht gut?«, fragte ich. Es war ungewöhnlich für ihn, auch nur einen Schnupfen zu haben, selbst mitten im Winter.
    »Es geht mir gut, Fainne«, sagte er. »Kein Grund, dich unnötig aufzuregen. Und nun erinnere dich daran, was ich über diesen Zauber gesagt habe. Wenn du die aufwändigeren Formen benutzt, gehst du ein großes Risiko ein.«
    »Aber ich bin sicher, dass ich es schaffen würde«, wandte ich ein. »Ich könnte mich in einen Vogel oder eine Schlange verwandeln. Ganz bestimmt. Darf ich es nicht wenigstens einmal versuchen?«
    Vater warf mir einen Blick zu. »Sei froh«, sagte er, »dass dazu keine Notwendigkeit besteht. Glaube mir einfach, dass es gefährlich
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