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Das Kind, das tötet: Roman (German Edition)

Das Kind, das tötet: Roman (German Edition)

Titel: Das Kind, das tötet: Roman (German Edition)
Autoren: Simon Lelic
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deshalb geheiratet? Weil sie ein Kind hatte? An dem Sie sich jederzeit bedienen konnten, wenn Sie …«
    »Nein!« Blake sprang auf. »Ich habe nein gesagt. Okay?«
    Leo zögerte. »Wer dann? Sein Vater? Sein leiblicher Vater, meine ich?«
    Blake beruhigte sich ein wenig. Er zuckte mit den Schultern. »Nein. Vielleicht. Keine Ahnung.«
    Leo wartete ab.
    Blake sah ihn an und sah dann zu Boden. »Es gab da so einen Kerl. Einen bestimmten. Einen von Stephs Freunden.« Er sprach das Wort voller Verachtung aus. »Das war, nachdem Frank sie verlassen hat. Da ist sie … da ging gar nichts mehr bei ihr. Sie hat angefangen zu trinken. Sich mit irgendwelchen Kerlen eingelassen. Mit denen … Sie wissen schon. Sich mit denen getroffen. So ist sie damals ›zurechtgekommen‹«, fügte er noch hinzu, den Ausdruck leicht ins Lächerliche ziehend, so als wäre er unter ihnen längst zu einem Euphemismus geworden. Ich bin zurechtgekommen. Hatte Stephanie es Karen gegenüber nicht so formuliert?
    »Also, dieser Kerl. Er war so eine Art Hausfreund, sagen wir mal so. Vor meiner Zeit. Er kam vorbei, hatte seinen Spaß und zog wieder ab. Eine Woche oder einen Monat später kam er wieder. Wegen ihr, dachte Steph. Sie hat sich immer eingeredet, er käme wegen ihr.« Blake sah Leo in die Augen. Sie beide wussten Bescheid. Selbst Blake, so schien es, konnte ermessen, wie entsetzlich das war, was Daniel durchgemacht hatte.
    »Aber das ist …« Leo zwang sich, seine Gedanken nur auf Ellie zu konzentrieren. »Ich meine, wenn Sie es gar nicht waren …«
    Blake verzog das Gesicht, so als stünde Leo auf der Leitung. »Steph war es. Oder sehen Sie das anders? Sie wusste doch, was da läuft. Sie hat getrunken, aber sie wusste trotzdem Bescheid. Er stand auf der Matte, sie hat ihm aufgemacht. Wenn Sie nach dem Warum fragen, muss man die Antwort bei ihr suchen.«
    Leo sagte nichts und schluckte nur. »Nein«, sagte er schließlich. »Nicht zwangsläufig. Ich meine, man könnte genauso gut argumentieren, dass …« Er wusste nicht genau, wie er den Satz weiterführen sollte, aber Blake fiel ihm ohnehin ins Wort.
    »Es war ja nicht nur das.« Er beugte sich vor, betrachtete eingehend seine Hände. »Es war ja noch mehr. Als Daniel noch ein Baby war. Da sind schlimme Sachen gelaufen, wie zum Beispiel …« Er sah Leo kurz an. »Schlimme Sachen halt.«
    Die Krankenhausaufenthalte. Die Besuche in der Notaufnahme. Mehrfach wäre Daniel beinahe gestorben.
    Leo starrte ihn an.
    »Man liest ja dauernd solche Sachen«, sagte Blake. »Irgendjemand wird fertiggemacht wegen irgendwas, was irgendwer anders vor tausend Jahren verbrochen hat. Wie diese Juden, dass die immer noch Jagd auf die Nazis machen müssen. Dass sie die Vergangenheit nicht einfach Vergangenheit sein lassen können.«
    Leo konnte immer noch nichts sagen.
    »Es war nicht richtig, was sie da getan hat. Das weiß sie. Ich will auch gar nicht sagen, dass es versehentlich war oder so, aber … Sie war eben krank. Richtig krank. Sie war bei Ärzten, bei Psychiatern wie Ihrer Freundin, aber die haben ihr immer nur Tabletten aufgeschrieben. Dass es ihr dann wieder besserging, das hat sie allein geschafft. Mit mir.« Für einen Moment schwang Stolz in seiner Stimme mit. »Aber ein Prozess. Wie lange hätte der gedauert? Noch ein Jahr?« Er schüttelte energisch den Kopf. »Das hätte sie nicht gepackt. Sie packt es ja so schon kaum, so wie es jetzt ist.«
    »Stephanie«, sagte Leo. »Hat sie denn …«
    Blake hob ruckartig den Kopf. »Sie weiß nichts davon. Wusste nichts. Die Briefe und das alles, das kam nur von mir. Okay?« Er sah sich im Raum um, als würde er sich an etwaige weitere Zuhörer wenden. »Das möchte ich hier ein für alle Mal klarstellen.«
    Leo sah ihn an, und plötzlich ging ihm ein Licht auf. »Sie lieben sie.«
    Blake wirkte irritiert über den Ton, in dem er das sagte. »Ich habe sie geheiratet«, sagte er, so als wäre das ja wohl Beweis genug. »Ich bin nicht so der Typ, der dauernd Blumen anschleppt, aber das heißt nicht, dass ich nicht alles für sie tun würde.« Die Falten auf seiner Stirn wurden tiefer. »Sie sind doch auch verheiratet, oder nicht? Sie wissen doch, wie das ist. Welcher Mann lässt denn was zu, von dem er weiß, dass es seiner Frau schadet?«
    Darauf hatte Leo keine Antwort.
    Blake legte sein Schweigen als Anklage aus. »Ich weiß, was Sie denken. Sie denken an den Jungen, dass ich ihn übers Ohr gehauen habe. Das hätte ich.« Blake zog die
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