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Das Karpaten-Projekt

Das Karpaten-Projekt

Titel: Das Karpaten-Projekt
Autoren: Werner Schmitz
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Schreibers Klopfen tat sich nichts.
Hannes sah den Dacia, der ihn gebracht hatte, ein paar Hundert Meter entfernt
in einer Kurve verschwinden. Von jetzt auf gleich fühlte er sich verlassen,
übernächtigt, hungrig, fremd. Dies war die dunkle Seite des Mondes, den er
gerade noch angehimmelt hatte.

    Schreiber setzte den Rucksack wieder ab und sah sich um.
Hinter ihm, ein paar Schritte den Hang hinunter, stand ein Holzbau, der eine
Scheune gewesen sein mochte, bevor man ihn auf Ferienhaus getrimmt hatte. Die
Tür stand offen, Hannes trat »Hallo« rufend ein. Von einem Flürchen gingen ein
paar Türen ab. Hinter einer hörte er jemanden wirtschaften. Er klopfte an und
trat in eine Art Sommerküche, in der ein Mann hantierte. Er war kräftig gebaut
wie einer, der sein Leben lang körperlich gearbeitet hat. Vom Alter her war der
Mann in jenem Niemandsland angesiedelt, das sich jenseits der sechzig
erstreckte. Er war eher klein und trug eine blaue Schürze vor dem Bauch.

    »Buna ziua«, grüßte Hannes. Er hatte, wie immer vor Auslandsreisen, ein paar Brocken der
Landessprache aus dem Internet gefischt, um die Leute wenigstens in ihrem Idiom
begrüßen zu können. Den Einheimischen gefiel das überall – außer in Frankreich.

    »Wenn schon Rumänisch, dann Buna dimineat a «, gab der Mann mit
der Schürze zurück. Sein breites Gesicht verriet keine Regung. »Sie können auch
einfach ›Guten Morgen‹ sagen. Ich bin der Merresmisch.«

    »Der wer?«

    »Michael Merres«, sagte der Alte und hielt Schreiber eine
klumpige Hand hin.

    Der Reporter nannte seinen Namen. Die Hand, die er
drückte, hatte eine Menge Kraft. »Ich bin mit Diana Steinkamp verabredet.«

    »Ich weiß.«

    »Sie wollte mich am Flughafen abholen lassen. Aber die
Maschine wurde umgeleitet.«

    »Ich hab bis Mitternacht gewartet.« Der Merresmisch versteckte
seinen Unmut nicht. Er wandte sich dem Kochtopf auf dem Gaskocher zu und rührte
mit einem dicken Kochlöffel in einem gelben Brei.

    »Polenta?«

    Merres schüttelte widerwillig den Kopf. »Palukes« , brummte er, »gibt’s bei uns zum
Frühstück.« Der Mann rollte das r wie Carrrolin Rrreiber vom Bayerrrischen
Rrrundfunk. Er beachtete Schreiber nicht weiter, sondern rührte in der Pampe
herum, bis sie zäh wie Kleister am Kochlöffel klebte. Als der Brei eine fette
Blase warf, zog er den Topf vom Feuer, stürzte den Inhalt in eine flache
Schüssel und goss Mich dazu. Er nahm zwei Löffel aus der Tischschublade, legte
sie vor die beiden Hocker und stellte die Schüssel in die Mitte.

    »Sieht aus wie ein riesiges Spiegelei, Ihr Polackes«,
meinte Schreiber und setzte sich auf einen der Hocker.

    Merres zischte: »Palukes.« Es gab keine Teller auf dem
Tisch, ein Schöpflöffel fehlte auch. Der Alte stach ein Stück von dem gelben
Brei ab und löffelte es mit ein wenig Milch hinunter. Schreiber sah
interessiert zu.

    »Keinen Hunger?« Der Merresmisch sah den Reporter aus
blassblauen Augen todernst an.

    »Doch.« Schreiber wusste nicht, wozu die Schau, die der
Alte abzog, gut sein sollte. Er war nicht einmal sicher, ob es überhaupt eine
Schau war. Er wusste nur, dass er diesen Palukes mit dem Merresmisch auslöffeln
musste, wenn er im Spiel bleiben wollte. Also griff er zum Löffel und tat es
dem Alten gleich, baggerte ein Klümpchen Brei aus der Schlüssel, ließ den
Löffel voll Mich laufen und steckte ihn in den Mund.

    Es war wirklich Maisbrei, eine leicht klumpige Polenta,
die der Mann gekocht hatte. Etwas gewöhnungsbedürftig zum Frühstück, aber sehr
sättigend. Hannes nahm den nächsten Löffel, und dann noch einen und noch einen.
Seit dem Flugzeugfutter am vergangenen Nachmittag hatte er keinen Happen
gegessen.

    Schweigend leerten die Männer die Schüssel. Schreiber
stoppte erst, als nur noch krümeliger Maisbrei in der Milch schwamm. »Rumänisches
Rezept?«

    Merres schüttelte den Kopf. »Sächsisch«, sagte er. »Der
Rumäne macht den Maisbrei anders. Der nennt das ma m a lig a. « Er stellte die
Schale schräg, um den Rest Milch-Maisbrei zu löffeln. Zum Schluss setzte er die
Schüssel an den Mund. Das Rinnsal Milch, das sich auf sein Kinn verirrte,
wischte Merres mit dem Handrücken weg. Fehlte nur noch, dass er zufrieden
rülpste. Dieser Kerl tat so, als ob Schreiber Luft für ihn wäre.

    »Ist Frau Steinkamp noch nicht eingetroffen?«, fragte er
vorsichtig.

    Der Alte fuhr mit knotigen Fingern durchs Haar, das ihm
voll und dunkel vom Kopf stand. »Die hat noch in
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