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Das kalte Gift der Rache

Das kalte Gift der Rache

Titel: Das kalte Gift der Rache
Autoren: Linda Ladd
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Muttersöhnchen!«
    Einer der Jungen kam von hinten und gab ihm einen kräftigen Stoß. Er wäre beinahe gestürzt, fing sich aber kurz vor dem Grabrand. Die anderen Buben schubsten ihn feixend herum, während Freddy nach einer Schaufel griff und nach ihm stieß, bis er das Gleichgewicht verlor. Er ruderte verzweifelt mit den Armen, konnte sich jedoch nicht mehr halten, sondern stürzte in die Grube und landete mit einem schweren Schlag rücklings auf dem Sarg seiner Mutter. Ihm stockte der Atem, und er sah nach oben in den blauen Himmel. Die Gesichter der Jungen erschienen. Sie wirkten erschrocken. Dann lachte Freddy. »Los, wir beerdigen ihn! Schnappt euch ’ne Schaufel!«
    Rote Erdklumpen prasselten auf ihn hernieder, und er schrie und sprang so hoch, wie er nur konnte, versuchte, irgendwo Halt zu finden. Aber die Erde an den Grabwänden zerbröckelte unter seinen Fingernägeln, und ihm war klar, er würde nie wieder herauskommen. Voller Verzweiflung kniete er auf dem Sarg nieder und legte die Hände über den Kopf, während seine Peiniger ihn mit Erde zuschaufelten, immer schneller und immer mehr, bis er hüfthoch darin steckte. Dann stoppte die Erdlawine abrupt, und ein erschrockener Schrei drang gedämpft herunter. Freddy faselte etwas von einem Engel Gabriel, und sie rannten weg. Dann war alles still.

1
    Glauben Sie mir, es gibt nichts Schlimmeres als das Leben einer Zwei-Dollar-Hure zur Weihnachtszeit. Sie wissen schon, das ganze Trallala und Wie wär’s mit uns beiden, Baby? Natürlich bin ich nicht wirklich eine Hure. Ich bin Detective im Bezirk Canton am Ozarks-See, Missouri, und arbeite als Undercoverfahnderin im Prostituiertenmilieu, was heißt, ich treibe mich nach Einbruch der Dämmerung auf einem riesigen Lkw-Parkplatz am Stadtrand von Lebanon herum, mit nichts als einem zitronengelben Nackenträgertop und einem knappen Jeanshöschen bekleidet. Die in letzter Zeit gehäuft auftretenden Überfälle mit schwerer Körperverletzung auf Truckerhuren entlang der Interstate 44 hatten zur Gründung einer übergreifenden Sondereinheit zwischen sechs Bezirken geführt, um die Burschen zu schnappen, ehe sie noch zu morden anfingen. Da steh ich also nun hier und klappere mit den Zähnen.
    Über meinem Outfit trage ich einen bodenlangen Webpelzfummel, so weiß wie frisch gefallener Schnee, was eindeutig ein Witz ist. Es bewahrt mich jedoch vor Unterkühlung, und ich kann meine Reize jederzeit interessierten Passanten präsentieren. Im Moment stakse ich vor einem schäbigen Motel und einer Kaschemme auf und ab, voller Trucker und echter Huren, die alle so aussehen wie ich oder noch schlimmer. Ich muss zudem ständig aufpassen, dass sich meine Beine unter den eleganten schwarzen Netzstrümpfen nicht blau färben. Ganz klar, als Nordstaatenhure musst du aus härterem Holz geschnitzt sein, als ich es bin.
    Bis zum heutigen Abend war ich krankgeschrieben, ewig lang, monatelang tatsächlich, denn nach meinem letzten Fall sah ich ganz schön alt aus, und wenn ich das sage, dann meine ich wirklich sehr alt, ur-ur-alt. Rechts an der Schulter habe ich eine sechs Zentimeter lange Wunde von einem Hackmesser zur Erinnerung an jene Zeit, aber sie ist mittlerweile ganz verheilt. Und den Gips an meinem gebrochenen Schienbein habe ich vor zwei Monaten abbekommen, wirklich nicht verfrüht, glauben Sie mir. Das alles passierte letzten Sommer, als ich einem Schreckgespenst aus meiner Vergangenheit begegnete, das eine irgendwie ungesunde Fixierung auf mich hatte.
    Aber das ist eine andere Geschichte, an die ich mich ungern erinnere, viel lieber erzähle ich von dem Mann, den ich im Zuge dieser Ermittlungen kennengelernt habe. Er mag mich sehr, und ich mag ihn auch, was nicht heißt, dass ich ihn liebe, aber es handelt sich um ein großgeschriebenes MÖGEN . Eigentlich kommt es mir nicht ganz geheuer vor, dass mein neuer Verehrer, Nicholas Black, auch schon mal stinkreicher Promi-Psychoschwätzer genannt, überhaupt die Zeit hat, sich mit einem normalen Mädchen wie mir abzugeben. Dabei bin ich nicht einmal sein Typ. Ich habe viel zu viele Narben und zu wenig Blondhaar mit Strähnchen, um ins Beuteschema eines Promis zu passen. Tatsächlich sind meine Haare kurz, honigblond und sonnengesträhnt, ich bin obendrein recht groß und hager-muskulös, weil ich Yoga und Kickboxen mache. Außerdem laufe ich täglich, wenn ich nicht gerade mit Schusswunden oder sonst was flachliege.
    Nicht dass ich mich über Blacks Aufmerksamkeiten beklage.
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