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Das kalte Gift der Rache

Das kalte Gift der Rache

Titel: Das kalte Gift der Rache
Autoren: Linda Ladd
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Sachen doch hasste, die seine Großmutter aus einer alten grünen Kleidertruhe im Kinderzimmer seines Papas hervorgekramt hatte.
    Der schwarze Anzug roch genau wie die Großmutter, wie die weißen Mottenkugeln auf dem Boden der Truhe. Er hatte noch nie zuvor Mottenkugeln gesehen, und das ganze Haus seiner Großmutter sah aus wie das in Katies Rotkäppchenbuch. Es lag noch tiefer im Wald als die Kirche, und es gab dort Petroleumlampen und eine Handpumpe vor dem Küchenausguss. Alles Neumodische war seiner Großmutter verhasst, wie sie betonte, und sie war auch der Meinung, dass Gott niemals Menschen zu sich nehmen würde, die nur auf der faulen Haut lagen. Abends zündete sie Kerzen an und die Öllampe auf seinem Nachttisch. Sie erinnerte ihn an die Campingurlaube mit seinem Papa. Alles im Haus seiner Großmutter war irgendwie unheimlich, sogar sie selbst, aber sie hatte ihn in die Arme geschlossen, als der Sozialarbeiter ihn eines Abends bei ihr abgeliefert hatte. Sie hatte unablässig geweint und so laut geschluchzt, dass er sich davor fürchtete und verstummte.
    Draußen folgten die Menschen auf einem Kiesweg den Särgen dorthin nach, wo sich zwei viereckige Gruben auftaten wie hungrige Münder. Flauschig grünes Moos bedeckte die schrundigen Grabsteine mit den Jahreszahlen 1809, 1896 und 1937 als Sterbedaten. Er fragte sich, wie alt wohl seine Großmutter war. Sie hatte tiefe Furchen im Gesicht, und ihre blauen Augen waren nicht so blau wie die von seinem Papa, sondern blasser, als wäre die Farbe ausgeblichen.
    Er stand neben ihrem Rollstuhl und sah nicht hin, als sie die Särge hinunterließen; den Gedanken an seine Familie dort unten, über und über bedeckt mit dieser roten Erde, ertrug er nicht. Stattdessen beobachtete er ein Krabbeln in den schütteren weißen Haaren seiner Großmutter, eine winzig kleine Spinne oder so etwas. Er wollte sie herauszupfen, traute sich aber nicht. Plötzlich fühlte er sich so traurig, dass er nur noch losheulen wollte, fürchtete aber, nie mehr aufhören zu können, wenn er erst einmal anfing. Alle anderen standen schweigend und ernst da, sie wirkten in ihren schwarzen Kleidern wie eine Schar andächtiger Krähen.
    »Komm jetzt, Kind, es ist vorbei«, flüsterte seine Großmutter, als der Priester seine große schwarze Bibel schloss. »Die Frauen aus der Gemeinde haben eine Feier anlässlich des Heimgangs deiner Familie zu den Engeln im Himmel vorbereitet. Mach dir keine Sorgen, sie sind an einem wunderbaren Ort, wo es weder Angst gibt noch Not oder Mühsal.«
    Er grübelte über das Wort Mühsal nach, während die Menschen durch das Tor unter der großen Eiche defilierten. Ihre Schritte knirschten auf den herabgefallenen Früchten. Sie begannen zu reden und zu lachen, als wäre ein Bann gebrochen. Andere Kinder rannten herum, spielten Fangen oder Verstecken, während die Frauen Essen auftrugen, aber er hatte keinen Hunger und keine Lust zu spielen. Sie starrten ihn an, und am liebsten wäre er weit weg von ihnen.
    Plötzlich vermisste er seine Familie so sehr, besonders Mama, und er wollte Auf Wiedersehen sagen. Er warf einen prüfenden Blick zu seiner Großmutter. Sie war mit den anderen Frauen beschäftigt, und so schlich er sich zurück durch das quietschende Eisentor. Er wollte allein sein und sich in Ruhe ausweinen.
    Die Gräber waren noch offen. In den daneben aufgetürmten Erdhaufen steckten Schaufeln. Er schaute hinunter in die dunklen Gruben und fragte sich, wie seine Mutter in ihrem Sarg aussah. Sie war wirklich hübsch gewesen, mit vielen Sommersprossen und einem warmen, schönen Lächeln. Weil niemand sie nach dem Unfall sehen durfte, nahm der an, dass sie jetzt fruchtbar aussah, aber er war froh, dass Katie in ihren Armen lag. Allein in einem Sarg hätte sich die kleine süße Katie nur gefürchtet, bis endlich die Engel kommen würden. Sein Papa fühlte sich sicher auch einsam in seinem Sarg, und er wünschte, er wäre jetzt bei ihm.
    »Na, wen haben wir denn da? Was treibst du denn hier, Kleiner?«
    Drei Jungen standen hinter ihm. Sie grinsten ihn an, aber nicht so, als wollten sie mit ihm spielen. Sie waren ungefähr so alt wie er, aber größer. Erschrocken entfernte er sich ein paar Schritte und stand zwischen den Gräbern seiner Eltern.
    »Los, Freddy, wir schubsen ihn runter! Du willst doch zu deiner Mami, oder?«
    Der Junge sah ängstlich in die dunklen Gruben hinunter. »Nein, bitte nicht, ich will nicht.«
    »Hast wohl Angst, du feiges
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