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Das Jahr in dem ich beschloss meinen Grossvater umzubringen - Roman

Das Jahr in dem ich beschloss meinen Grossvater umzubringen - Roman

Titel: Das Jahr in dem ich beschloss meinen Grossvater umzubringen - Roman
Autoren: Gunter Gerlach
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Ermordung ausdenken können. Deinen bleichen Körper im Mondlicht zwischen Lilien im Wasser. Kennst du das Bild? Und dann hätte ich mir im Leichenschauhaus alle toten Frauen angesehen. Das hätte mir gefallen. Tote Frauen ansehen, das ist, glaube ich, angenehm in einer solchen Situation.«
    »Das wäre dir wirklich lieber?«
    »Nein, ich will, dass du bleibst. Meine Welt war, was Frauen anbelangt, ein falsch eingestellter Fernseher. Du kamst vorbei, klopftest ein Mal mit der flachen Hand auf den Apparat, und schon sah und hörte ich ein neues Programm. Eines, von dem ich nicht wusste, dass es das gab.«
    »Es muss sich um den Sexkanal gehandelt haben.«
    »Könntest du nicht wenigstens – sagen wir – jeden Abend für eine Stunde vorbeikommen? Ich sehe dich dann nur still an, und wenn die Stunde um ist, gehst du wieder. Wäre das nicht eine Möglichkeit für eine Vereinbarung?«
    Sie schüttelte den Kopf.
    »Gut, nicht jeden Abend, jeden zweiten.«
    Sie schüttelte den Kopf.
    »Gut, nur mittwochs. Nur am Mittwochabend.«
    Sie schüttelte den Kopf.
    »Ein Geschäft, ich bezahle. Wie viel?«
    »Nein.«
    »Die meisten Männer sagen, man kann einer Frau nicht trauen.«
    Sie grinste. »Die Wievielte bin ich in deinem Leben? Die Erste?«
    »Musst du in diesem Bericht auch etwas über Sex schreiben?«
    Sie nickte, wischte sich die Lippen mit einer Papierserviette ab und stand auf.
    »Ich wusste es, den Test hast du dir ausgedacht, und ich hab ihn nicht bestanden. Gib es zu. Du hättest mir doch sagen können, wie du es haben willst. Ich bin eine Maschine, die man einstellen kann.«
    Sie kam zu mir. »Darum geht es nicht.« Ich stand auf, und sie umarmte mich.
    »Ich dachte, dass ich schlecht im Bett bin.«
    »Männer!« Sie strich mir über das Gesicht, als wäre ich ein kleines Kind. »Es ist so, wie ich es gesagt habe: Ich bin von einem Anwalt für sieben Tage und einen abschließenden Bericht engagiert worden. Ich kann wirklich nicht bleiben. Ich weiß, es würde nicht gut gehen. Es liegt an mir. Du musst mir das einfach glauben. Leb wohl.« Sie küsste mich, dann entzog sie sich meinen Armen. »Folge mir nicht.«
    »Können wir nicht noch reden? Ich meine, kann ich dich wiedersehen?«
    Sie schüttelte den Kopf, strich mir über die Wangen. »Denk nicht schlecht von dir.«
    Ihre rote Umhängetasche und ein Plastikbeutel mit ihren Sachen lehnten schon an der Tür. Sie durchquerte das Büro. Ich folgte ihr. »Moment mal, Scotty, du kannst nicht ... Warte!«
    Sie ging hinaus, ohne sich umzusehen. Ich sprang zum Fenster, öffnete es und beugte mich hinaus. Die Hitze schlug mir ins Gesicht. Scotty kam aus der Haustür, ihr Haar loderte in Flammen durch den heißen Sommertag. Sie sah nicht hoch. Ich wollte rufen, aber mir versagte die Stimme. Sie überquerte die Straße, zwängte sich durch ein F aus parkenden Fahrzeugen und ging mit schnellen Schritten bis zur nächsten Häuserecke, setzte dabei zwei Männer in Brand. Sie wischten sich die Stirn mit großen karierten Tüchern. Kaum war Scotty verschwunden, rannte ich aus dem Büro. Ich erreichte die Straßenecke. Es gab keine Spur mehr von ihr.

5
    Nach einer Weile begann ich an ihrer Existenz zu zweifeln. Ich suchte nach Gegenständen, die sich mit ihr verbanden und sie zugleich auffindbar machen würden. Weggeworfene Spuren ihres Lebens oder Dinge, die sie vergessen hatte. Ich schlug die Bettdecke zurück, hob die Kopfkissen, fand kein einziges rotes Haar. Im Bad untersuchte ich den Abfluss der Dusche und des Waschbeckens. Auch nichts. Nicht einmal Haare von mir. Während ich Brötchen holen war, musste sie alles gesäubert haben. Ich öffnete den kleinen Abfallbehälter im Bad. Kein Wattestäbchen, kein benutztes Papiertaschentuch. Ich durchsuchte den Abfalleimer in der Küche. Leer. Ich holte den Staubsauger hervor, öffne ihn. Der Staubbeutel war leer, unbenutzt. Sie war gründlich vorgegangen. Professionell. Wahrscheinlich hatte sie sogar in der ganzen Wohnung ihre Fingerabdrücke entfernt. Aber warum?
    Der Frühstückstisch mit den beiden Tassen, Tellern, den Brötchenresten war der einzige Beweis, dass es sie gegeben hatte. Ich hob ihre Tasse. Keine Lippenstiftspuren. Im Inneren der Tasse nicht einmal Kaffeereste. Messer, Löffel, Gabel blank, wie unbenutzt. Sie bildeten ein N. Wie Nichts, Niemand, Null.
    Hatte es Scotty nicht gegeben? War ich sieben Tage auf eine Ausgeburt meiner Fantasie hereingefallen? Ich stürzte zurück zum Bett, drückte meine Nase auf das
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