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Das Jahr in dem ich beschloss meinen Grossvater umzubringen - Roman

Das Jahr in dem ich beschloss meinen Grossvater umzubringen - Roman

Titel: Das Jahr in dem ich beschloss meinen Grossvater umzubringen - Roman
Autoren: Gunter Gerlach
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Laken, schnüffelte wie ein Hund nach ihrem neuen Parfum, das mich an Mandeln und Orangen erinnert hatte. Ich roch nichts.
    Ich lief die Treppen hinunter in die Müllkammer. Vier große Müllbehälter standen hier. In jeden von ihnen tauchte ich meine Hand hinein, holte Unteres nach oben, hatte plötzlich etwas Feuchtes in der Hand. Der abgehackte Körperteil, ein behaarter Kinderarm, war bloß ein Stück verschimmeltes Fleisch. Ein Beefsteak, ein klebriges P mit Bohnen und Kartoffeln.
    Ich setzte mich ins Büro und überlegte, was ich von ihr wusste. Ich schaltete den Computer ein und stellte eine Verbindung zu einer Suchmaschine im Internet her. Scotland ist ein seltener Vorname. Ihr zweiter Vorname war Mary. Ihren Familiennamen hatte sie mir, glaube ich, einmal genannt. Ich wusste ihn nicht mehr. Sie handelte mit Antiquitäten, war amerikanische Staatsbürgerin. Ich gab alle möglichen Begriffe ein. Die Suchmaschine verwies mich auf nicht enden wollende Eintragungen über Schottland, Antiquitäten, diverse Marys und die USA. Nach zwei Stunden beendete ich die Recherche.
    Ich starrte auf den Bildschirm, bis er verlosch und ein Firmenzeichen darauf zu schwimmen begann. Gründlich verwischte es alle Erinnerungen des Monitors. Nach einiger Zeit maß ich seinen zufälligen Bewegungen Bedeutungen bei, wie man Blütenblätter ausreißt oder Knöpfe zählt. Mehrmals gelang es mir, seine Bahn vorauszusagen. Das überzeugte mich von Scottys Rückkehr. Auch ihre Säuberungsaktionen erschienen mir geradezu als Beweis. Nur Mörder hinterlassen keine Spuren. Sie würde also zurückkommen, um mich umzubringen.
    Natürlich würde sie wiederkommen. Es war nur eine dumme Art, sich interessant zu machen. Sie war eine Frau. Frauen machen so etwas. Gleich würde sie anrufen.
    Ich beobachtete das Telefon, nahm den Hörer ab. Das Freizeichen ertönte. Es klang bedrohlich, ein Warnsignal. Hatte Scotty sich vor etwas gefürchtet? Sie könnte die Tochter eines Prominenten, des Präsidenten, eines anderen hohen Politikers sein, die ihren Leibwächtern entwichen war, um für sieben Tage wie ein normaler Mensch zu leben. Ausgerechnet mit mir. Wenn jemand kein normaler Mensch war, dann ich.
    Ich ging zum Fenster, wartete darauf, dass eine schwarze, gepanzerte Limousine vorfuhr, um mich abzuholen.
    Auf der anderen Straßenseite stand ein Mann in einem Hauseingang. Trotz der Hitze trug er ein zugeknöpftes hellblaues Jackett, das über der Brust spannte, als befände sich eine Waffe darunter. Natürlich! Ich rieb mir die Stirn. Scotty war die Tochter eines Mafioso. Sie wollte mich beschützen, indem sie mich verließ. Zu spät. Sicher würde sie gleich anrufen, mich bitten, ja nicht aus dem Haus zu gehen. Es wäre mein Tod.
    Das Telefon blieb stumm, wirkte wie ein Gerät unbekannter Herkunft, krumm vor Alter und Schmerz.
    Ein Taxi fuhr gegenüber vor. Der Mann zog sein hellblaues Jackett aus. Außer einem dünnen weißen Hemd mit grauen Schweißflecken nichts darunter. Er stieg in das Taxi.
    Verdammt, wenn schon nicht die Tochter eines Mafioso, konnte sie nicht wenigstens anrufen, um sich zu erkundigen, wie es mir ging? Im Kino taten die Frauen das. Sie würde meine Einladung zum Essen dann ausschlagen. Ich würde versuchen, einen anderen Termin mit ihr zu machen. Sie würde antworten, sie könne diese Woche nicht, würde mich aber wieder anrufen und es dann nicht tun. So gehen Beziehungen zu Ende. Ich wollte doch nur ein normales Ende. Ein vergleichbares Ende.
    Gegen Mittag überschrieb ich ein Blatt Papier mit »Scotty«. Ich fertigte eine Beschreibung ihrer Person an, versuchte mich an einer Zeichnung ihres Gesichts und erstellte eine Liste der Eigenschaften und Vorlieben, die ich von ihr kannte. Es musste genügen, um sie in einer Großstadt wie Frankfurt wiederzufinden. Auch wenn sie schon morgen einen anderen Namen, ihr Haar eine andere Farbe hatte. Ich würde einen Detektiv beauftragen.
    Wenn Scottys Geschichte, dass sie bezahlt worden war, stimmte, gab es eine weitere Möglichkeit, ihre Spur aufzunehmen. Ich musste ihren Auftraggeber finden.
    Ich nahm ein neues leeres Blatt und überschrieb es mit »Feinde«. Ich hab genau fünf Feinde: meinen Bruder, meinen Großvater, meine Mutter, meinen Vater, meine Großmutter. Genau in dieser Reihenfolge. Aber keinem von ihnen bot ich einen Grund, mir nachzuspionieren.
    Ich hatte keinen Kontakt zu ihnen und lehnte das mir monatlich zustehende Geld aus dem Familienvermögen ab. Und diesen Zustand
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