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Das Jahr der stillen Sonne

Das Jahr der stillen Sonne

Titel: Das Jahr der stillen Sonne
Autoren: Wilson Tucker
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den gegenüberliegenden Zimmern ließen ihn aufatmen. In einem zog jemand Schubladen auf und knallte sie wieder zu, als könne er etwas nicht finden; im nächsten schnarchte jemand laut. Chaney griff nach einem Handtuch und seinem Rasierzeug, um in den Duschraum zu gehen. Das Schnarchen war bis dorthin zu hören.
    Das kalte Wasser war kalt, aber das warme war nur wenige Grade wärmer. Chaney kam aus der Duschkabine, stellte sich vor den Spiegel und verteilte Rasierschaum auf seinem Gesicht.
    »Halt!« Arthur Saltus erschien mit hocherhobenem Finger auf der Schwelle. »Weg mit dem Rasierapparat, Zivilist!«
    Chaney ließ den Rasierer verblüfft in das lauwarme Wasser fallen. »Guten Morgen, Kapitän.« Er holte den Apparat wieder aus dem Wasser und begann sich zu rasieren. »Warum?«
    »Heute nacht ist ein Geheimbefehl gekommen«, behauptete Saltus. »In der Zukunft tragen alle Männer Bärte wie Abe Lincoln. Wir müssen uns anpassen.«
    »Nudisten mit struppigen Bärten«, murmelte Chaney. »Ein sehenswerter Anblick.« Er rasierte sich weiter.
    Saltus streckte eine Hand unter die Dusche und öffnete den Wasserhahn. Er hatte nichts anderes erwartet. »Das kenne ich aus meiner Rekrutenzeit«, erklärte er Chaney. »Für jede Baracke sind fünfzig Liter heißes Wasser da. Der erste Mann verbraucht sie alle.«
    »War das hier eigentlich schon immer eine militärische Anlage?« wollte Chaney wissen.
    »Nein, jedenfalls nicht von Anfang an. Das habe ich gleich gemerkt. Katrina hat mir erzählt, daß hier 1941 eine Munitionsfabrik gebaut wurde.« Er trat unter die Dusche. »Das war vor … vor siebenunddreißig Jahren, was? Die Zeit fliegt, und die Mäuse waren an der Arbeit.«
    »Aber das andere Gebäude ist neu.«
    »Das Laboratorium ist sogar brandneu. Es ist für diese laute Maschine gebaut worden und soll ewig halten. Überall Stahlbeton, zwei Kellergeschosse und so weiter. Unser Fahrzeug ist irgendwo dort unten versteckt und transportiert Affen hin und her.«
    »Ich möchte das verdammte Ding endlich einmal sehen!« sagte Chaney.
    »Dann sind wir schon zu zweit, Zivilist. Oder zu dritt, wenn wir den Major mitzählen.« Saltus streckte den Kopf aus der Duschkabine und flüsterte laut: »Aber ich habe bereits alles herausbekommen!«
    »Wirklich? Was denn?«
    »Versprechen Sie mir, daß Sie Katrina nichts davon erzählen? Sie sagen auch dem Mann im Weißen Haus nicht, daß ich gegen die Sicherheitsbestimmungen verstoßen habe?«
    »Ehrenwort.«
    »Okay. Das Ganze ist nur ein Trick, mit dem wir uns einen Vorsprung verschaffen wollen. Katrina hat uns in die Irre geführt. Wir reisen nicht in die Zukunft – wir reisen weit in die Vergangenheit zurück!«
    »Zurück? Warum?«
    »Wir reisen zweitausend Jahre weit zurück, Zivilist, um uns Ihre Schriftrollen zu schnappen. Wir kommen nachts an, schleichen uns in die Höhle, in der sie liegen, und fotografieren sie. Deshalb benutzen wir Kameras. Und Sie sprechen inzwischen nähere Angaben über den Fundort auf Tonband. Vielleicht können Sie auch die Titel einiger Rollen ablesen, damit wir wissen, ob wir etwas Wichtiges gefunden haben.«
    »Aber sie haben selten Titel.«
    »Warum nicht?« fragte Saltus erstaunt.
    »Titel waren damals noch nicht wichtig.«
    »Okay, macht nichts. Wir fotografieren einfach alles, was wir in die Finger bekommen, und sortieren es dann später. Und sobald wir alles aufgenommen haben, legen wir es zurück und verschwinden.« Saltus nickte zufrieden und trat wieder unter die Dusche.
    »Ist das alles?«
    »Das genügt uns – wir sind der ganzen Welt voraus! Und viel, viel später entdeckt ein Schäfer die Rollen auf gewöhnliche Weise. Aber wir wissen natürlich längst, was auf ihnen steht.«
    Chaney trocknete sich das Gesicht ab. »Wie kommen wir in das Palästina zu Beginn unserer Zeitrechnung? Müssen wir den Atlantik in einem Kanu überqueren?«
    »Nein, nein, wir reisen nicht gleich in die Vergangenheit, Zivilist – nicht hier in Illinois. Wenn wir das täten, müßten wir uns den Weg durch Indianergebiet freikämpfen! Die Sache funktioniert anders: Das Amt für Normung schickt unser Fahrzeug nach drüben, sobald die Erprobung in einigen Wochen beendet ist. Es wird in eine Kiste mit der Aufschrift ›Landmaschinen‹ oder dergleichen verpackt und ins Land geschmuggelt, wie es andere Leute auch tun. Wie haben die Ägypter Ihrer Meinung nach ihre Minibombe nach Israel gebracht? Indem sie sie als Postpaket aufgegeben haben.«
    »Phantastisch!«
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