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Das Jahr der Kriesen

Das Jahr der Kriesen

Titel: Das Jahr der Kriesen
Autoren: Philip K. Dick
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mürrisch, »es gibt da etwas, das mir – wenigstens im Moment – nicht so recht aus dem Sinn gehen will. Ich habe immerzu diese heimliche, nervöse Besorgnis, daß...« Sie lächelte ihn unbehaglich an; ihre Jasminlippen zuckten. »Ich hoffe, ich gebe sie nicht an dich weiter, aber...«
    »Aber tief in deinem Innersten«, beendete Sal den Satz für sie, »fürchtest du, daß ein paar von diesen Pekkies auf dieser Seite geblieben sind.«
    »Ja.« Sie nickte.
    Sal sagte: »Ich bekomme hin und wieder dieselben verdammten Ahnungen. Spät in der Nacht schiele ich immer wieder aus den Augenwinkeln umher, besonders auf der Straße, wenn ich beim flüchtigen Hinsehen jemanden um eine Ecke verschwinden sehe. Und das Komische ist, nach dem, was Jim mir erzählt hat, weiß ich, daß er ganz genauso empfindet. Vielleicht haben wir alle den Pekkies gegenüber einen Rest von Schuldgefühl... schließlich sind wir zuerst in ihre Welt eingedrungen. Es ist unser Gewissen, das uns zu schaffen macht.«
    Seine Frau fröstelte, als würde sie nur ein gewichtsloses Négligé aus Tafek-Netz tragen, und sagte: »Ich hoffe, daß alles vorbei ist. Weil ich in einer dunklen Nacht wirklich ungern einen Pekkie treffen würde. Ich würde dann sofort denken, daß sie an irgendeiner Stelle wieder einen Verbindungstunnel in unsere Welt geöffnet haben und vorsichtig, heimlich, dabei sind, einen breiten Strom ihrer Vettern und Tanten herüberzuschleusen.«
    Als wären wir nicht ohnehin schon hoffnungslos überbevölkert, dachte Sal, auch ohne noch damit fertigwerden zu müssen.
    »Was ich nie verstehen werde«, murmelte er, »ist, warum sie unser großzügiges Angebot, ihnen das Smithsonian zu übergeben, nicht angenommen haben. Und schließlich die Kongreßbibliothek. Mensch, sie haben sich zurückgezogen, ohne irgend etwas dafür bekommen zu haben.«
    »Stolz«, sagte Pat.
    »Nein.« Sal schüttelte den Kopf.
    »Dummheit also. Idiotische Frühzeitmenschendummheit. Es gibt in dieser schrägen Stirn keinen Vorderlappen.«
    »Vielleicht.« Er zuckte mit den Schultern. »Aber wie kann man erwarten, daß eine Spezies der Logik einer anderen folgt? Sie arbeiten auf ihrer Ebene, wir auf unserer. Und nie wieder werden sich die beiden treffen... hoffe ich.« Jedenfalls nicht in unserem Leben, sagte er sich. Vielleicht wird eine spätere Generation aufgeschlossen genug sein, um solche Dinge zu akzeptieren, aber nicht jetzt; nicht wir, die wir diese Welt in diesem speziellen Augenblick bewohnen.
    »Soll ich Mr. Turpin bitten, zu uns zu kommen?« fragte Pat. »Werden wir die Party hier feiern?«
    »Vielleicht möchte Turpin Jims Sieg gar nicht feiern«, sagte Sal. »Er und Schwarz waren während des größten Teils des Wahlkampfes ziemlich dicke Freunde.«
    »Ich will dich etwas fragen«, sagte Pat unvermittelt. »Meinst du, George Walt sind wirklich ein Windgott? Schließlich sind sie mit zwei Körpern und vier Armen und Beinen geboren worden, und der künstliche Teil ist erst viel später angebracht worden. Also waren sie ursprünglich genau das, was sie zu sein vorgegeben haben. Das hat Jim diesem Sinanthropus nicht gesagt.«
    »Du hast verdammt recht damit, daß er das nicht hat«, sagte Sal heftig. »Aber bring das Boot nicht wegen irgendwelcher unangebrachter ethischer Motive ins Schwanken... hörst du?«
    »Schon gut«, sagte sie und nickte.
    Draußen, auf dem Bürgersteig, brüllte ein Haufen Gratulanten Lob und Wahlsprüche und Glückwünsche zu ihnen herauf. Der Lärm drang bis in das Komapt, und Sal ging, um aus dem Wohnzimmerfenster hinauszusehen.
    Ein paar Farbige, sah er. Und auch ein paar Weiße. Genau das, was er zu sehen gehofft hatte, genau das, worum es in dem ganzen Kampf gegangen war. Wie lange hatte es gedauert, bis es soweit war... Fast zwei Jahrhunderte länger, als es hätte dauern sollen. Der Verstand der Menschen war außerordentlich hartnäckig und nur langsam zu verändern. Reformer, er selbst eingeschlossen, neigten immer dazu, das zu vergessen. Der Sieg schien immer nur knapp um die Ecke zu liegen. Aber im allgemeinen war es dann doch nicht so.
    Eine Stimme für Jim Briskin, fielen ihm die Phrasen und Tiraden des Wahlkampfes ein, ist eine Stimme für die Menschheit selbst. Jetzt abgegriffen, und, wie immer, zu stark vereinfacht und doch tief darunter im wesentlichen wahr. Der Wahlspruch hatte den Motor verkörpert, der sie vorangetrieben hatte, der sie schließlich befähigt hatte zu gewinnen. Und was jetzt, fragte sich Sal.
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