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Das Isaac-Quartett

Das Isaac-Quartett

Titel: Das Isaac-Quartett
Autoren: Jerome Charyn
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rasieren, seine Initialen auf ihren Bauch tätowieren, ganz gleich wie wertvoll sie als Besitztum war, doch Odette konnte seinen Zorn mit ein paar durchdachten Worten unter Kontrolle bringen. »Zorro würde es nicht gefallen, wenn ich Blut auf dem Hintern hätte.«
    So pendelte Chino also zwischen Bummy und Ferrara hin und her; sein Schopf nahm ein dreckiges Rotbraun an. Er konnte es nicht riskieren, in einem der Nachtlokale an der Mott Street zu essen, obwohl er nach Schweinefleisch mit Abalones fast verging. Schließlich sammelte sich die Spucke auf seiner Unterlippe, und er hatte den Geschmack von Mandelsirup auf seiner Zunge satt. Jetzt machte er sich auf die Suche nach Odette. Er versuchte es zuerst in der Jane Street.
    »Bist du zu Hause, Odette? Ich bin’s nur, Reyes. Ich will mit dir reden. Ich rühr dich nicht an. Das versprech ich dir.«
    Odettes Vermieterin, eine Frau mit Lockenwicklern und ausgelatschten rosa Pantoffeln, kam an die Wohnungstür. Da sie dem Chinesen nicht aufmachen wollte, musste er durch die Glasscheibe schreien. »Bringen Sie mich zu Miss Odette.« Ihr finsterer Blick war überzeugend; er würde von hinten reingehen müssen. »Hey, muchacha«, sagte er und pochte gegen die Glasscheibe, »warte nicht zu lange auf mich.« Er polterte um das Haus herum, zertrampelte kleine Gemüsegärten und zersplitterte die Überbleibsel von diversen Blumentöpfen. Für einen Chinesen rührten sich die streunenden Katzen der Jane Street nicht von der Stelle. Er musste einen seiner Hosenträger loshaken und ihn bedrohlich schwingen, ehe sie ihren Thron auf der Feuertreppe aufgaben. Dann griff er nach der untersten Sprosse der Leiter, machte einen Klimmzug und blieb vor Odettes Fensterbrett stehen. Der Blick durch das Fenster enthüllte ihm nichts. Durch einen Wust von gebauschtem Vorhangstoff konnte er grüne Möbel sehen. Gewaltsam drückte et das Fenster auf, ohne Glas zu zersplittern. Er kletterte hinein, durchsuchte die eineinhalb Zimmer und knabberte an den Miniatursandwiches, die sie in der Kühlbox für die Kunden aufbewahrte, die Chino ihr brachte (Halbmonde, Dreiecke und Quadrate aus Schwarzbrot mit Käseschnipseln), was ihn nur wieder daran erinnerte, dass er sich seinen Lebensunterhalt seit neuestem als Zuhälter verdiente. Er nahm Strümpfe, Strumpfgürtel und die schmutzigen Büstenhalter, die sie in ihren Filmen trug, aus dem Wäschekorb. Er wollte Erinnerungsstücke, was für ein Reichtum an Unterwäsche. »Jesus«, sagte er und stopfte sich die Taschen voll. »Sie ist bei ihren Freundinnen.« Diesmal verschmähte er die Feuerleiter und verließ die Wohnung durch die Eingangstür. Ein Strumpfhalter baumelte bis auf sein Knie.
    Er hätte in Odettes Stammkneipe, The Dwarf, eindringen können, aber die Rausschmeißerinnen waren beide größer als er, und Chino hätte einen Ärmel und einen Schuh verloren, ehe er bei Odette angelangt war. Also rief er von einer Zelle auf der anderen Straßenseite aus dort an. »Odette Leonhardy«, sagte er mit aufgesetztem Lispeln.
    »Wer ist da?« Die Stimme der Rausschmeißerin war sanfter, als er erwartet hatte.
    »Hier spricht Zorro.«
    »Sie ist noch nicht da, Mr. Zorro. Kann ich ihr etwas ausrichten?«
    »Ja«, sagte der Chinese. »Sagen Sie ihr, in ihren Wäschekorb sei eingebrochen worden. Und wenn sie ihre feinen Sachen wiederhaben will, sollte sie lieber nett zu einem gewissen Herrn sein. Sie weiß, wer gemeint ist.«
    »Sonst noch etwas, Mr. Zorro? Auf Wiedersehen.«
    Der Chinese stand in der Telefonzelle, biss sich auf einen Knöchel und beobachtete, wie das Blut an seinem Finger entlangrann. Sein rotes Haar war mit Zucker verklebt. Das lag an den vielen Blätterteigschnitten. Er konnte sich nicht entscheiden, wohin er gehen sollte, ob er auf Zorro, Odette oder Coen treffen wollte. Die Menschen, die vor der Zelle warteten, stoben auseinander, als er herausstürzte. Schließlich gelang es ihm, einen Strumpf an sich zu reißen, der sich an der Zellentür verhakt hatte. Er wandte dem Dwarf den Rücken zu.
2
    DeFalco, Rosenheim und Brown verabscheuten Coen, weil er nicht mit ihnen draußen auf Long Island leben wollte. Er hatte keine Familie. Nur einen Onkel in einer Privatklinik am Riverside Drive. Coens Frau hatte ihn wegen eines Zahnarztes aus Manhattan verlassen. Sie hatte ein paar neue Kinder, nicht von Coen. Er aß in kubanischen Restaurants. Er war ein Tischtennis-Freak. Er ließ keine der Hilfspolizistinnen an sich ran. Für Isobel, die
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