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Das Isaac-Quartett

Das Isaac-Quartett

Titel: Das Isaac-Quartett
Autoren: Jerome Charyn
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an die Abteilung für Sonderaufträge aus, und Coen durfte Filmsternchen begleiten, die von irgendeinem Freak aus Manhattan bedroht worden waren. Der Chef wollte einen Bullen mit leiser, eindringlicher Stimme, gut aussehend und zäh, vorzugsweise mit blauen Augen. Er war der Wunderknabe der Abteilung, bis sein Förderer in Ungnade fiel. Ein Bankier für Nummernkonten, der der Staatsanwaltschaft verpflichtet war, weil sie ihn verhätschelt hatte, nachdem seine Frau von ihm persönlich erdrosselt worden war, drückte seine Dankbarkeit aus, indem er einen jüdischen Inspektor auf der Gehaltsliste einer Spielerverbindung in der Bronx erwähnte. Der Staatsanwalt sang beim First Dep. Isaac verlangte seine Papiere und verschwand ohne Rente. Der First Dep wartete einen Monat, ehe er Coen fallenließ.
    Brodsky brachte ihn zu einem der Mauselöcher des First Dep an der Lexington, Ecke Neunundzwanzigste. Hier stellte Herbert Pimloe seine Nachforschungen an; er war Isaacs Nachfolger als »rechte Hand« des First Dep. Coen setzte sich mit Brodsky auf eine Bank vor Pimloes Büro. Das Gebäude war der Herstellung von Freizeithemden geweiht, und Coen verglich das Design seines Schlafanzugoberteils mit den Hemdmustern an den Wänden. Brodsky ging um fünf. Coen dachte an die beiden Töchter seiner Frau. Er belächelte die Taktiken, die die Männer dieser Abteilung gern anwandten; sie ließen dich auf einer Holzbank schwitzen und zwangen einen, sich zu fragen, wie viel sie über die Bruchstücke deines Lebens wissen mochten, bis du gewillt warst, die Existenz deines eigenen toten Vaters und deiner eigenen toten Mutter anzuzweifeln. Der Firmennachtwächter kam auf seiner Runde durch diese Etage und starrte Coen an. »Hallo«, sagte Coen. Er wurde schläfrig. Der Nachtwächter schien empört zu sein, dass jemand in seinem Gebäude einen Schlafanzug trug. Coen rückte seine Krawatte zurecht und döste auf der Bank vor sich hin. Eine Hand griff nach seinem Schlüsselbein. Er erkannte Pimloe an dem Diplomatenkoffer und den italienischen Schuhen. Pimloe war verdrossen. Er erwartete von seinen Söldnern, dass sie wach blieben. Coen stolperte in das Büro. Pimloe schloss die Tür.
    »Dir gefällt New York, nicht wahr?«
    »Ich kann auch ohne leben, Herbert.«
    »Blödsinn. Du würdest in der Vorstadt eingehen. In Queens, da sind die Fotzen gröber. Niemand würde deine zarten Hände bemerken. Du könntest Cary Grant nicht auf der Straße zunicken. Ich kenne dich, Coen: Wenn man dich von hier verpflanzt, bist du im Arsch.«
    »Ich komme aus der Bronx, Herbert. Mein Vater hat Eier in der Boston Road verkauft.«
    »Die Bronx«, sagte Pimloe. »Hunts Point ist ein perfekter Übungsplatz für die taktischen Einheiten. Sie könnten mit Fallschirmen über der Simpson Street abspringen und den Vietkong töten. Manfred, in der Bronx würdest du dir den Arsch abfrieren. Dein Schwanz würde schrumpeln.«
    Coen fädelte eine Hand in seinen anderen Schlafanzugärmel. »Was willst du, Herbert?«
    »Zieh einen frischen Schlafanzug an, Coen. Der da stinkt.« Pimloe berührte seinen Briefbeschwerer, einen Seelöwen aus Messing mit aufgemaltem Schnurrbart. »Ich brauche ein Mädchen.«
    Coen versuchte, ein Lächeln zu unterdrücken.
    »Nicht für mich, du Dummkopf. Das Mädchen ist von zu Hause weggelaufen. Sie wird seit mehr als einem Monat vermisst. Ihr Vater glaubt, dass irgendein Zuhälter aus der West Side sie aufgegriffen hat.«
    »Vielleicht war es der Lippenstift-Freak, Herbert. Hast du es schon bei der Leichenhalle probiert?«
    »Halt’s Maul, Coen. Ihr Vater ist der Broadway-Mäzen, Vander Child.«
    »Wieso ich, Herbert? Was ist mit der Vermisstenabteilung oder einem deiner Asse drüben beim Bruchtrupp?«
    »Vander mag keine Bullen. Mit dir wird er können. Ich habe ihm erzählt, dass du der Mann bist, der Marlon Brando in New York bewacht.«
    »Ich habe Brando nie gesehen.«
    »Aber du kennst alle Zuhälter. Nur das zählt. Vander hat ein Team von Privatdetektiven losgeschickt. Die Kerle finden nicht den kleinsten Dreck. Das Mädchen heißt Caroline.«
    Coen steckte einen Finger in seinen Schlafanzug und kratzte sich. Pimloe sah ihn schief von der Seite an.
    »Sie ist zu alt für dich, Coen. Sechzehneinhalb.« Er krakelte eine Adresse in der Fifth Avenue auf ein Stück Papier. »Vander erwartet dich. Wenn du ein braver Junge bist, Coen, dann zeigt er dir die schöne Aussicht. Vielleicht setzt er dir auch koschere Salami vor.«
    Coen wandte sich ab.
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