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Das Isaac-Quartett

Das Isaac-Quartett

Titel: Das Isaac-Quartett
Autoren: Jerome Charyn
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winkte Schapiro weg und der Captain ging weiter die Stufen hinunter.
    »Isaac, wen haben Sie umgebracht?«
    »Ihn. Den Kerl im Sarg. Ich hab ihn sein gelbes Wasser saufen lassen. Also, verhaften Sie mich jetzt oder nicht?«
    »Isaac, ich bin kein Zauberer. Ich kann Sie nicht für ein Verbrechen verhaften, das nie stattgefunden hat …«
    Der Commish spürte einen Sturm der Wut durch seine Synapsen rasen. »Was zum Teufel meinen Sie damit?«
    »McNeill ist ertrunken, möge der alte Mann in Frieden ruhen … Seine eigenen Jungs haben es gesehen. Er war im See und schlug nach Fischen. Und dann ist er ausgerutscht. Sie sind noch aus dem Haus gerannt, aber sie konnten ihn nicht wiederbeleben.«
    Isaac rutschte mit dem Hintern eine Stufe tiefer. »Sind Sie jetzt glücklich? Der Tiger sitzt ein, McNeill ist tot, Sammy ist abserviert … und jetzt arbeite ich auch noch für Sie. Ich habe zwei Cops losgeschickt, um Sylvia Berkowitz aus meiner eigenen Wohnung zu entführen.«
    »Die Frau hat sie nicht mehr alle. Sie schafft es nicht allein. Erst hat sie einen Anfall von Unabhängigkeit und dann zerbricht sie.«
    »Dennis, wenn Sie schon den Weisen spielen, der Männer und Frauen zusammenführt, was ist dann mit dem alten John? Werden Sie ihm auf Riker’s eine Frau besorgen?«
    Mangen stand auf. »John braucht keine Frau.«
    Der Sonderstaatsanwalt ließ Isaac auf den Stufen sitzen. Er sprang mit Captain Mort über die Fifth Avenue. Isaac war noch nicht fertig. Er würde dort sitzen bleiben, bis die Messe vorüber war. Dann würde er mit seiner Ehrenwache und all seinen Captains, die um Coote McNeill trauerten, zurück ins Polizeipräsidium fahren.
31
    Zellenblock 5 war ein Haus voller Lumpengesindel, wo die Insassen Jogginganzüge trugen, Hüte mit Federn, Kaschmirpullover mit Löchern unterm Arm, Seidenschals mit Mäusefraßspuren an den Rändern, einzelne Teile der Gefängniskleidung. Keine zwei Männer trugen die gleichen Hosen. Es hätte ein Trainingscamp für Clowns sein können. Nur dass diese Clowns nie lächelten.
    Im vergangenen Monat hatte es zwei versuchte Selbstmorde gegeben. Der Block hatte sein eigenes Selbstmordkommando, Freiwillige, die von Zelle zu Zelle gingen und brütende Insassen besänftigten. Das Selbstmordkommando war die einzige Spur von Vernunft auf Riker’s Island. Die Schließer dort waren verrückt. Sie stürmten mit Gasmasken und Gummiknüppeln durch Block 5 und brüllten: »Geronimo!« Und wehe, wenn man ihnen in die Quere kam. Mehr als ein Gefangener war schon getreten worden und landete in einer Nische, wo er stöhnen und vor sich hinbluten konnte, bis das Selbstmordkommando mit einem zusammengeschusterten Notfallkoffer antrabte.
    Wenn Tiger John Rathgar »Geronimo!« hörte, drückte er sich in eine Ecke seiner Zelle und wartete, bis die Gasmasken nicht mehr durch den Block tänzelten. Er fing schon an, wie alle anderen zu reden, Rastafari, Latinos, Schwarze von der Bushwick Avenue. »Schwanzlutscher. Verschissene Schließer.« Aber John war der ehemalige PC, und das verlieh ihm eine gewisse Cleverness vor allen anderen Gefangenen seines Blocks. Er wusste, wozu die Gasmasken und Gummiknüppel gut waren. Die Schließer wären bei lebendigem Leibe verspeist worden, wenn sie unbewaffnet gekommen wären. Sie hatten eine Todesangst vor Johns Block. Ihrer Meinung nach gab es unter den Insassen Kannibalen.
    John bekam sämtliche Annehmlichkeiten, die einem Commish zustanden. Die Schließer verhöhnten ihn, aber die Rastas, die Latinos und Schwarzen nickten ihm nur stumm zu und ließen ihn in Ruhe. Sie brachen nicht in seine Zelle ein und beschimpften ihn auch nicht, für ihren Untergang verantwortlich zu sein. Nur die Weißen waren unhöflich. Sie streckten ihm die Zunge raus und kreischten wie wild gewordene Affen. »Tiger, Tiger, wir werden dir den Arsch verbrennen.«
    Sie rührten den alten Mann nicht an. Aber die Drohung stand immer im Raum. John musste im Speisesaal seine Möhren mit der halben Arschbacke auf der Bank essen und stets Ausschau nach feindlichen Löffeln und Gabeln halten. Man konnte nie wissen, wann und wo ein Angriff stattfand. John hielt sich aus dem Freizeitraum fern. Er brauchte keine Körbe zu flechten, musste sich keinen Pingpongball anschauen. Meistens hockte er auf seiner Pritsche. Er zog eine Decke um sich, damit man nicht sah, was er da tat. Dann zog er seine Sparbücher aus der Tasche und machte das abgenutzte Gummiband ab. John war nicht gierig. Er interessierte sich
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