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Das Imperium

Das Imperium

Titel: Das Imperium
Autoren: Kevin J. Anderson
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Stich, wenn es um eine größere Sache geht.«
    Raymond drehte den Kopf weit genug, um festzustellen, von wem diese Worte stammten. Ein älterer Junge namens Malph stand hinter ihm, während sein stärkerer Freund Burl die Finger noch fester um Raymonds Hals schloss. Mit einer raschen Bewegung gelang es dem Vierzehnjährigen, sich aus Burls Griff zu befreien, aber er lief nicht fort. Noch nicht. »Tut mir Leid, aber ich habe nicht vor zu stehlen.«
    »Oh, Diebstahl ist unter seiner Würde!«, schnaufte Burl abfällig.
    »Nein, er ist zu einfach«, erwiderte Raymond. »Sich den Lebensunterhalt mit harter Arbeit zu verdienen – das ist eine Herausforderung. Ihr sollte es einmal versuchen.«
    Um sie herum tanzten die Leute. Manche küssten sich, andere standen bei den Delikatessenverkäufern Schlange. Malph sprach leise, aber selbst wenn er geschrien hätte – es wäre kaum jemandem aufgefallen. »Raymond, Raymond, warum wirst du nicht Diakon, wenn du solche moralischen Probleme hast? Und warum konntest du nicht vorher darauf hinweisen, anstatt uns zu verraten?«
    »Meine Güte, Malph, ich habe nein gesagt. Sechzehnmal, wenn ich mich recht entsinne. Aber du wolltest nichts davon hören. Bei jemandem einzubrechen und ihm das Ersparte zu stehlen – das entspricht nicht meiner Vorstellung von einer Laufbahn. Wenn man einmal damit anfängt, fällt es einem immer leichter.«
    »Oh, ich bin durchaus dafür, dass es leichter wird«, sagte Burl und lachte bitter. »Es war ganz schön mühsam, den Greifern zu entkommen, nachdem du den Alarm ausgelöst hast.«
    »Wenn ihr so gut seid, wie ihr behauptet, wären euch die Greifer nicht so nahe gekommen.« Raymond richtete den Zeigefinger auf seinen Kontrahenten. »Siehst du, Malph, ich habe mich auf dein Geschick verlassen, und jetzt gibst du mir zu verstehen, dass alles Angeberei war.« Er holte tief Luft, die Muskeln gespannt, bereit zur Flucht oder zum Kampf. »Ihr glaubt mir vermutlich nicht, wenn ich sage, dass es ein Unfall war, oder?«
    Burl ballte die Fäuste und schien größer zu werden. »Nachdem wir Hackfleisch aus dir gemacht haben, kannst du deiner Mami sagen, dass es ebenfalls ein Unfall war.«
    »Lass meine Mutter aus dem Spiel.« Raymond stellte sich Rita Aguerra mit Tränen in den Augen und voller Sorge um ihren ältesten Sohn vor – dieses Bild war schmerzvoller als Prügel.
    Wie ein Hai, der Blut im Wasser wittert, trat Malph zur anderen Seite, um Raymond an der Flucht zu hindern. Doch der Vierzehnjährige überraschte ihn mit dem Unerwarteten. Er sprang dem größeren Burl entgegen, bearbeitete ihn mit Fäusten, harten Knöcheln und spitzen Ellenbogen. Er kämpfte ohne Finesse, benutzte aber jeden harten Teil seines Körpers, von den Stiefelspitzen bis zum Kopf, und auf diese Weise gelang es ihm innerhalb weniger Sekunden, den verblüfften Burl aufs Pflaster zu schicken. Anschließend wirbelte Raymond herum und versetzte dem angreifenden Malph einen Tritt in den Unterleib.
    Er hatte seine beiden Gegner nicht verletzt, aber es reichte, um sie aufzuhalten. Und um ihnen zu entkommen.
    Raymond verschwand in der Menge, bevor Malph und Burl wieder auf die Beine kamen. Seine Botschaft war deutlich genug. Entweder ließen sie ihn in Ruhe oder sie kamen beim nächsten Mal mit Verstärkung. Vermutlich würde Letzteres der Fall sein.
    Er lachte vor sich hin, als er über die Brücke lief, die den Königlichen Kanal überspannte. Beim Abklopfen seiner einfachen Kleidung stellte er erleichtert fest, dass sie nirgends gerissen war. Die Fingerknöchel waren aufgeschürft und das dunkle Haar zerzaust, aber wenigstens hatte er alles ohne ein blaues Auge oder eine merkliche Verletzung überstanden. Es sollte ihm also gelingen, seine Mutter davon zu überzeugen, dass nichts Ernstes passiert war. Sie hatte schon genug Sorgen und er wollte ihr das Leben nicht noch schwerer machen.
    Raymond war der älteste von vier Brüdern und damit der Mann im Haus, seit sein Vater die Stadt verlassen hatte, um an Bord eines Kolonistenschiffes zu gehen. Das lag inzwischen sechs Jahre zurück. Esteban Aguerra hatte die Koloniepapiere unterschrieben und gleichzeitig eine einseitige Scheidungserklärung eingereicht, mit dem Ergebnis, dass seine Frau die Dokumente erst nach dem Start des Schiffes bekam. Als Ziel hatte Raymonds Vater den neuen Kolonialplaneten Ramah ausgewählt, nicht etwa deshalb, weil ein besonderer Reiz davon ausging, sondern weil es die erste zur Verfügung stehende Welt
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