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Das Imperium

Das Imperium

Titel: Das Imperium
Autoren: Kevin J. Anderson
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gewesen war. Wie so oft in den vergangenen Jahren schickte Raymond ihm einen Fluch hinterher.
    Es wurde Zeit heimzukehren, seiner Mutter bei der Zubereitung der Abendmahlzeit zu helfen und seine jüngeren Brüder zu Bett zu bringen. Auf dem Weg durch den Palastdistrikt fielen ihm die vielen Blumensträuße auf. Einige waren im Gedränge der Leute umgestoßen worden. Andere ruhten aufrecht in den Haltern, um ihre Pracht noch ein oder zwei Tage lang zur Schau zu stellen. Anschließend, wenn sie zu verwelken begannen, würde man sie alle fortbringen.
    Zwar hielt Raymond nichts von Stehlen, aber er nahm trotzdem einen der Sträuße, aus Liebe zu seiner Mutter. Mit den Blumen eilte er nach Hause und stellte sich dabei voller Stolz die Freude in den Augen seiner Mutter vor.
    Die Agenten der Hanse, beauftragt von Basil Wenzeslas, entgingen der Aufmerksamkeit des Jungen. Sie hatten Raymond Aguerra den ganzen Tag über beobachtet.
    Die unauffälligen Männer zeichneten zahlreiche Bilder von dem Jungen auf und fügten sie den bereits recht umfangreichen Dateien hinzu.

9 ESTARRA
    Zwar war Estarra eine Tochter der Regenten von Theroc, aber selbst im Alter von zwölf Jahren wusste sie nicht, was sie mit ihrem Leben anfangen sollte.
    Ihre drei älteren Geschwister hatten von Geburt an gewusst, wozu sie bestimmt waren. Sie lernten Führung, wuchsen bei der grünen Priesterschaft auf und ließen sich zu Handelsbotschaftern ausbilden. Für ein viertes Kind gab es keine vorherbestimmte Rolle, und deshalb konnte Estarra ganz ihren Neigungen nachgehen.
    Voller Energie lief sie barfuß in den Wald und flitzte durchs Unterholz, tief unter dem Dach der ständig flüsternden Weltbäume. Die hohe Decke des Waldes, bestehend aus ineinander verwobenen palmartigen Wedeln, hielt das Sonnenlicht nicht zurück, sondern filterte es und ließ ein gelb-grünes Fleckenmuster auf dem Waldboden entstehen. Gras und Blätter streichelten Estarras goldbraune Haut; sie kitzelten, kratzten nicht. Mit großen, neugierig blickenden Augen sah sie sich um, immer auf der Suche nach neuen Entdeckungen und ungewöhnlichen Objekten.
    Estarra hatte bereits alle nahen Pfade erforscht, und sie staunte über die Welt, die sie umgab. Das Verhalten des lebhaften Mädchens veranlasste seine ältere Schwester Sarein gelegentlich dazu, die Stirn zu runzeln. Sarein konzentrierte sich ganz auf die Welt des Geschäfts, der Politik und des Handels. Estarra wollte nicht so schnell erwachsen werden wie sie.
    Ihr ältester Bruder Reynald war bereits fünfundzwanzig und auf dem besten Weg dazu, der nächste Vater von Theroc zu werden. Der attraktive und geduldige Reynald studierte Politik und lernte, was er als Oberhaupt eines ganzen Volkes leisten musste. Er hatte immer gewusst, dass er, der Tradition gemäß, der nächste Sprecher der Waldwelt sein sollte. Um sich auf diese Aufgabe vorzubereiten, war Reynald vor kurzer Zeit zu einer Reise aufgebrochen, die ihn zu fernen, exotischen Planeten brachte. Dort würde er die jeweiligen planetaren Oberhäupter kennen lernen, sowohl Menschen als auch Ildiraner, bevor ihn seine Pflichten auf Theroc festhielten.
    Estarras Eltern hatten nie die sagenhafte ildiranische Hauptstadt Mijistra unter den Sieben Sonnen gesehen, obgleich ihre Tochter Sarein – vier Jahre jünger als Reynald – einige Jahre auf der Erde gewesen war, um Verbindungen mit der Hanse zu knüpfen.
    Estarras Bruder Beneto war es immer bestimmt gewesen, ein Priester des Weltwaldes zu werden. Sie freute sich bereits auf seine Rückkehr von Oncier, wo er die Schaffung einer neuen Sonne beobachtet hatte.
    Vater Idriss und Mutter Alexa ließen Estarra viel Freiheit, vielleicht zu viel. Sie konnte sich von ihren Interessen leiten lassen, was sie gelegentlich in Schwierigkeiten brachte. Ihre kleine Schwester Celli, das Baby der Familie, verbrachte ihre Zeit am liebsten mit ihren unaufhörlich schwatzenden Freundinnen. Estarra war viel unabhängiger.
    Sie duckte sich unter süßlich duftenden Blättern hinweg und spürte, wie ihr aromatische Luft über die bronzefarbene Haut strich. Ihr Haar war mit einem Durcheinander aus Bändern und Borten zusammengebunden. Das entsprach zwar nicht der Mode, aber es ließ kaum Strähnen übrig, die sich an Zweigen verheddern konnten.
    Estarra lief weiter und prägte sich Einzelheiten ein, um später zur hohen Pilzriff-Stadt zurückzukehren, in der sie wohnte. Sie verharrte unter den gewaltigen Weltbäumen, in deren von schuppiger Borke
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