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Das Hotel

Das Hotel

Titel: Das Hotel
Autoren: Heyne
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erklärte sie.
    » Wenn du das schaffst, lade ich dich nach Rom ein. Ich bezahle sogar für zwei Zimmer, wenn du willst, sodass du keins mit mir teilen musst.«
    Deb blickte ihm in die Augen und sah Vertrauen und Anerkennung und Zuneigung und wusste, dass ein zweites Zimmer absolut überflüssig sein würde.
    » Abgemacht.«
    Dann zog sie sich die Kletterprothesen über. Im Gegensatz zu den gebogenen Cheetahs waren diese eher L-förmig, wie ein normales Bein mit Fuß. Aber wo eigentlich die Zehen hingehörten, befanden sich Gummipfropfen und viele kleine metallene Stachel.
    Deb betätigte die Vakuumpumpe und sog die Luft aus dem Raum zwischen den Prothesen und ihrer Haut, sodass sie perfekt anlagen. Es tat weh, aber Schmerzen waren angenehmer, als beim Klettern lockere Prothesen zu verlieren.
    Mal reichte ihr die Hand und half ihr hoch. Obwohl sie gut stehen konnte, ließ er nicht von ihr ab.
    » Das schaffst du«, sagte er.
    Sie nickte, atmete langsam aus und starrte auf die Felswand.
    War sie noch größer geworden?
    Deb entledigte sich sanft seiner Berührung und humpelte zur Wand. Es war beinahe unmöglich, mit den Prothesen zu gehen, doch sobald sie es an der Felswand versuchte, zeigte sich, dass sie tatsächlich funktionierten.
    Sie kroch eng am Fels entlang, nahm ihn in sich auf, wurde eins mit ihm. Sie schaute nicht nach unten, nicht nach oben, sondern konzentrierte sich einzig und allein auf den nächsten Handgriff, wo sie den Fuß hinsetzen oder sich etwas ausruhen konnte. Nach etwa vier Metern fand sie den Spalt, der sie bis zum Vorsprung führte, und erkletterte ihn genauso gut wie mit echten Beinen.
    Alles war so automatisiert, lief so locker, dass Deb ihre Furcht vergaß.
    Dann erreichte sie den Vorsprung. Der Vorsprung, von dem sie abgerutscht war. Deb war wie paralysiert.
    Ich erinnere mich, wie ich genau hier den Halt verlor. Ich erinnere mich an die Angst. Ich erinnere mich an die Gewissheit, nur noch wenige Sekunden zu leben. Ich erinnere mich, dass ich mich auf Grund dieses idiotischen Fehlers hasste.
    Aber vor allem erinnere ich mich an das Fallen und den Schmerz.
    » Das schaffst du!«, schrie Mal von unten herauf.
    Schaffe ich das? Schaffe ich das wirklich?
    Vielleicht. Vielleicht kann ich es.
    Deb biss die Zähne zusammen und zog sich die glatte Felswand hoch. Die Steigung schien gar nicht so wild – damals der Grund für ihren Übermut.
    Deb hob den Arm, fand etwas Halt und krallte sich mit den Fingern fest.
    Zentimeter um Zentimeter zog sie sich die Wand empor. Sie achtete stets darauf, dass sie mit mindestens zwei Gliedmaßen guten Halt hatte. Das dauerte zwar seine Zeit, doch es funktionierte. Sie war kurz davor, die Sträucher zu erreichen, die aus der Felswand wuchsen. Einmal dort angekommen, würde sie sich etwas ausruhen können. Der Rest war dann relativ einfach.
    Noch einen halben Meter.
    Vierzig Zentimeter.
    Dreißig Zentimeter.
    Deb hob die Hand. Sie wollte den gebogenen Ast testen, ob er ihr Gewicht tragen würde.
    Plötzlich bewegte sich der Ast.
    Deb klappte der Mund auf.
    Das ist kein Ast.
    Ich weiß, was das ist.
    Das ist ein Schwanz.
    Ich kenne den Schwanz.
    Der Schwanz verschwand. Stattdessen erschien ein dreieckiger Kopf mit goldenen Augen.
    Der Berglöwe.
    Der Berglöwe mit dem zickzackförmigen Schwanz.
    Derselbe, der mich beinahe tötete.
    Deb schnappte nach Luft.
    Um Gottes Willen. Er ist gekommen, um das zu Ende zu bringen, was er damals angefangen hat.
    Dann verlor Deb den Halt und rutschte langsam die Felswand hinab.
    » He, Jungchen! Hältst du dich für ein Eichhörnchen, oder was machst du da oben auf dem Baum?«
    Felix öffnete die Augen und wurde sogleich von Höllenqualen begrüßt.
    Seine Finger, sein Kopf, seine Rippen, seine Hüfte, sein Rücken – es gab keinen Quadratzentimeter an Felix’ Körper, der ihm keine Qualen bereitete. Atmen tat weh, die kleinste Bewegung tat weh, selbst Denken tat weh.
    Und außerdem befand er sich in einem Baum.
    Er blickte um sich und sah, dass er in einer Astgabel einer großen Eiche eingekeilt war. Die Sonne war aufgegangen, und im strahlenden Sonnenlicht erinnerte er sich nur verschwommen an die Geschehnisse der vergangenen Nacht. Da war der Berglöwe, zog ihn an seinem Kragen durch die Gegend, bis Felix die Luft ausging.
    Dann muss ich das Bewusstsein verloren haben, und er hat mich hier im Baum versteckt.
    Felix wusste, dass große Raubkatzen ihre Beute oft Bäume hochschleppten, um sie vor anderen Raubtieren und
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