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Das höllische Ich

Das höllische Ich

Titel: Das höllische Ich
Autoren: Jason Dark
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flüsterte Rüben. »Sie warten darauf, dass wir alle versammelt sind. Schon jetzt wollen sie klarstellen, wem dieses kleine Refugium gehört. Sie denken gar nicht daran, es aus den Klauen zu lassen. Das habe ich mir gedacht.«
    Suko, der auf einem Stuhl saß, sprach das aus, was ich auch dachte. »Es gefällt mir nicht, dass wir ihnen alles überlassen sollen. Ich will auch nicht warten, bis sie uns erreicht haben und die anderen hier sind. Wir sollten sie vorher angreifen, um sie zu vernichten, falls es geht.«
    »Hast du einen Plan?«
    »Leider nicht, John.«
    »Eben. Und deshalb sollten wir uns zurückhalten. Sie werden freiwillig erscheinen.«
    »Das müssen sie tun!«, flüsterte Ruben Crane. »Es geht nicht anders. Sie wollen siegen.«
    Ich blickte wieder gegen die Decke. Auf oder über dem Glas befand sich noch immer alles in Bewegung. Das Glas schien durch die Schatten zu leben, die sich meiner Ansicht nach vermehrt hatten. Im Inneren des Tempels herrschte nur noch ein trübes Dämmerlicht.
    Inzwischen drangen sie auch durch das Glas und glitten über den Boden, sodass sie verändert in meine Nähe gerieten. Noch waren sie nicht greifbar und bildeten auch keinen Angriffspunkt für mein Kreuz. Ich wartete darauf, dass sich die einzelnen Puzzleteile so zusammensetzten, dass sie Gestalten bildeten, die wir auch in der Zelle bei Lou Ganzaro gesehen hatten.
    Der war tot, verbrannt. Uns sollte es nicht so gehen. Ich hoffte, die Schatten durch mein Kreuz abhalten zu können und sie anschließend zu vernichten.
    »Sie sind weg!«, meldete Suko.
    Ein schneller Blick nach oben. Ja, es traf zu. Plötzlich war unsere Sicht wieder normal geworden. Kein Gruß aus einer anderen Dimension. Der Teufel hatte seine Helfer zurückgezogen – vorerst!
    Stille trat ein. Eine spannungsgeladene und zugleich erwartungsvolle Stille, die durch kein fremdes Geräusch unterbrochen wurde. Nur unser Atem war zu hören.
    Ich saugte die Luft durch meinen halb offenen Mund ein. Der Druck in meinem Kopf verstärkte sich. Das Kreuz blieb bei seiner schwachen Erwärmung. Ich hängte es mir wieder vor die Brust, ließ es aber sichtbar, was Ruben Crane mit einem beruhigenden Nicken wahrnahm.
    Plötzlich waren sie wieder da, und es ging verdammt schnell. Sie tanzten nicht mehr über das Glasdach hinweg, diesmal hatten sie ein anderes Ziel gefunden, und genau dort setzten sie sich fest.
    Die Bilder an den Wänden hatten bisher ausgesehen wie normale Gemälde. Man konnte sie mit denen in Ganzaro’s Wohnung vergleichen. Doch jetzt blieb kein Bild mehr wie es war. Jedes wurde dunkel, verdüsterte sich, weil es von einem Schatten besetzt worden war.
    Es musste für Ruben Crane sehr schlimm gewesen sein, denn er stieß einen leisen Schrei aus. Sekunden später wussten wir, dass er mit seiner negativen Ahnung Recht behielt.
    Die feinstofflichen Wesen waren erschienen, um die Bilder der Engel zu verbrennen – und wir waren zum Zuschauen verdammt...
    Es ging alles wahnsinnig schnell. Auch wenn wir uns genau darauf eingestellt hätten, es hätte nichts genutzt. Die Schatten waren nicht mit den Händen zu fangen, sie verdüsterten die frischen Farben der Bilder, und wir erlebten das gleiche Phänomen wie in der Wohnung des Lou Ganzaro.
    Die Bilder verkokelten, die Leinwand, auf die gemalt worden war, zog sich zusammen. Wir hörten das leise Knistern und sahen, dass sich die Gestalten immer stärker verfärbten, wie die Gesichter zu dunklen Fratzen wurden, um sich dabei zu verkleinern, sodass die Motive schon nach kurzer Zeit nichts mehr von ihren Originalen zeigten. Die Schatten waren erschienen, um diesen Bereich engelfrei zu machen. Sie setzten bereits jetzt ein Zeichen, und es war wirklich ein Angriff, dem Rüben mit stoischem Gesichtsausdruck zuschaute. Man brauchte kein großer Rater zu sein, um herauszufinden, was in seinem Kopf alles vorging.
    Ich konnte nicht mehr länger zuschauen. Ich wollte irgendetwas tun, und das war nur mit meinem Kreuz möglich. Die Bilder waren leider nicht mehr zu retten, aber irgendwie hielt es mich nicht mehr auf meinem Platz, und so lief ich auf das mir am nächsten hängende Bild zu.
    Ich berührte es mit dem Kreuz!
    Die Schatten verschwanden. Sie wurden zerrissen, lösten sich auf. Ich glaubte sogar, einen fernen Schrei zu hören, der wenig später irgendwo versickerte.
    Meine Aktion war so etwas wie ein Minierfolg, mehr aber auch nicht. Das Bild war nicht mehr zu retten. Der darauf schwebende Engel war regelrecht
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