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Das Hiroshima-Tor

Titel: Das Hiroshima-Tor
Autoren: dtv
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Magen, als er den Flug für den nächsten Morgen buchte. Wilson hatte ihm nicht einmal Kopien
     von den KG B-Dokumenten gegeben, aber zumindest hatte Timo sich aus dem Gedächtnis ein paar Schlüsselsätze auf einem Blatt Papier notiert. Er faltete
     das Blatt zusammen und schob es sorgfältig in die Innentasche seiner Jacke.
    Anschließend rief er Välimäki bei der SiPo an und erkundigte sich nach den Ermittlungen im Sabotagefall Olkiluoto 3.   Sie waren bislang keinen Schritt weitergekommen. Zwar hatte die Polizei einige Aktivisten vernommen, aber es lagen gegen niemanden
     Beweise vor.
     
    Wütend warf Soile das Essen aus dem Kühlschrank in eine Mülltüte: die verschrumpelten Pfannkuchen, die sie vor einer Woche
     gebacken hatte, den vertrockneten Nudelauflauf und eine Packung alter Hähnchenschnitzel.
    Durch die hohen Fenster fiel das graue Licht des Donnerstagnachmittags in die Wohnung in der Rue Washington im Brüsseler Stadtteil
     Ixelle. Die Küche in dem Stadthaus aus dem 19.   Jahrhundert war von vornherein in üblem Zustand, aber Timo war das egal gewesen, als er die geräumige Wohnung im ersten Stock
     gemietet hatte. Warum auch nicht, schließlich hantierte werktags nur das Au-pair-Mädchen in der Küche, und an den meisten
     Wochenenden Soile. Die ärgerte sich Jahr für Jahr mehr über Timos mangelnde Bereitschaft, sich an der Hausarbeit zu beteiligen.
    Es beruhigte und wurmte Soile zugleich, sich mitten in der Woche mit dem Haushalt beschäftigen zu müssen. Wegen des Hauskaufs,
     den Timo so leidenschaftlich forcierte, hatte sie sich zwei Tage frei genommen. Am liebsten hätte sie das Geschäft auf Eis
     gelegt, aber dafür war es jetzt zu spät.
    Per Piepston meldete ihr Telefon auf dem Tisch eine SMS.   Sie schnappte sich den Apparat und öffnete ungeduldig die Mitteilung.
    Sie hatte richtig geraten. Patrick.
    |28| »Habe ein langes Wochenende ohne dich vor mir.«
    Sie spürte die Hitze auf ihren Wangen. Noch immer wusste sie nicht, was sie von dieser Sache halten sollte. Ihre Gefühle fuhren
     derzeit Karussell. Unwillkürlich blickte sie zur Tür und löschte die Mitteilung. Dann kehrte sie entschlossen zum Kühlschrank
     zurück, nahm die cholesterinsenkende Margarine heraus, schnupperte am fast unberührten, aber ranzigen Inhalt der Packung und
     warf sie in die Mülltüte. Eine offenbar nach ihrem letzten Besuch aufgetauchte Butter war fast komplett aufgebraucht.
    »Reija«, rief Soile nach dem Au-pair-Mädchen, das in ihrem Zimmer schmollte, weil Soile es wegen der Staubschicht und der
     ungeputzten Toilette ermahnt hatte. »Sei so gut und kauf keine Butter mehr fürs Brot. Das habe ich dir doch schon oft genug
     gesagt.«
    Soile konnte sich selbst nicht ausstehen, wenn sie so nörgelte, aber sie war einfach sauer. Heutzutage schmierte man sich
     doch nicht einmal mehr in den Wäldern Nordkareliens, wo das Mädchen herkam, noch echte Butter aufs Brot.
    Reija erschien an der Tür und musterte Soile forschend. Die junge Frau trug lächerlich enge Hüfthosen und ein oranges Oberteil,
     das den Nabel frei ließ, als stünde die Julihitze bevor.
    »Ich dachte, ich hätte ein Au-pair-Mädchen eingestellt und keine Verwalterin eines Lebensmittelmuseums. Wenn sich da nichts
     ändert, kannst du gern deine Sachen packen. Und das meine ich ernst.«
    Soile wusste, dass Timo sich auf Reija verließ, und letztlich hielt sie das Mädchen auch für zuverlässig, wenn es darauf ankam,
     aber war bloßes Vertrauen genug? Die Aufgabe eines Au-pairs bestand nicht nur darin, Vertrauen entgegenzunehmen, sondern vor
     allem darin, den Haushalt zu schmeißen. Oder war sie kleinlich, wie Timo meinte? Vielleicht durfte man nicht zu hohe Ansprüche
     stellen. Soile hatte zu viele Horrorgeschichten über Au-pair-Mädchen gehört. Vielleicht musste man einfach akzeptieren, dass
     ein erheblicher Teil der zwanzigjährigen finnischen Frauen Fälle von »neuer Hilflosigkeit« waren.
    |29| »Aaro, komm was essen«, rief Soile. »Das Abendbrot machen wir erst, wenn dein Vater kommt.«
    Aaro erschien in der Küche mit einem Blatt Papier, auf dem er den Grundriss und die Einrichtung seines künftigen Zimmers skizziert
     hatte. An zentraler Stelle befand sich der Computertisch. »Bald dürfen wir auch Nägel in die Wand schlagen«, grinste Aaro.
    Soile war gerührt von der Begeisterung der männlichen Familienmitglieder für den Hauskauf. In den Mietwohnungen wurden genaue
     Einzugs- und Auszugsprotokolle gemacht, in
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